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freitag, der 1. jänner 2010, part #1

Posted on Januar 2nd, 2010 der krusche

sie sind unverschämt gut gelaunt. wenn sie auf einen treffen, der ihnen eher dogmatisch und unflexibel erscheint, sagen sie: “der weiß noch nicht, daß tito gestorben ist”, und brechen in gelächter aus.

es geht aber auch noch um ganz andere dinge. abends bekam ich einen gläsernen “fica” geschenkt, randvoll mit schnaps. (der “fica” ist die serbische version des legendären fiat 600.)

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davor hatte ich tito gesehen. (gelächter! interna. “pinki hat tito gesehn.” reminiszenzen. die absaufende identität eines versunkenen staates.) anschließend hatte ich einen mönchischen mechaniker kennen gelernt, von dem noch zu erzählen sein wird. der lebt am fuße der “fruska gora”, wo die wälder bittere geheimnisse bergen. ich hatte andernorts einen hund an den fersen gehabt, der sich selbst vom fahrenden auto nicht so leicht abschütteln ließ.

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ich war bei borka pavicevic zu gast gewesen, ein unerheblicher gast unter vielen, als sie in beograd 15 bestandsjahre des “zentrum für kulturelle dekontamination” feierte. und abends hielt mir ein bursche freundlich lachend seine fäuste ins gesicht, um mir danach auf der mundharmonika etwas vorzuspielen.

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unter den zahlreichen tätowierungen seines leibes eine auffällige “kosovka devojka” [link] auf seinem bauch und die rose von “legija” [link] auf seinem hals. der bursche deutete mit dem daumen auf die rose und sagte: “ultimate fight.”

aus dem tag wurden morgenstunden in jenem geduckten haus in petrovaradin, nahe der festung, die mit dem namen eugen von savoyen verbunden ist. nikola dzafo und vesna grgincevic machten mir sanft klar, daß ich zwar schon trinken kann, wie man es in serbien tut, aber zu essen, wie es hier den gästen angeboten wird, ist noch keine meiner stärken. und warum erzähle ich das?

natürlich ging es an diesem einen tag oft um KUNST. das ist wiederum eines der zentralen “mezblog”-themen; die kunst, ihre bedingungen, ihre umfelder. auch: künstler sein. wie geht das?

es ist nicht nur eine frage von ansichten und haltungen, von persönlichen möglichkeiten. es geht AUCH um gelebte zeit, aus der erzählungen erwachsen. es geht um abläufe, die von anderen menschen auf oft unvorhersehbare weise geprägt werden.

das mag ja auf anhieb alles etwas kryptisch klingen. aber! kultur. das dominante stichwort, wenn in meiner region von kunst gesprochen wird. rahmenbedingungen. es ist hier im “mezblog” schon von vielem die rede gewesen. und was heißt das dann in der praxis?

ich bin in der beneidenswerten situation, daß ich ein paar sehr verrückte freunde habe, daher auf diese frage antworten kann, indem ich einen einzelnen tag schildere. es ist freilich kein beliebiger tag, sondern der erste des neuen jahres, also der 1. Jannuar 2010.

dieser tag hatte in einer produktion des “brod teatar” begonnen. (“brod” ist das serbische wort für schiff.) ich hatte mir angesehen, wie die leute in novi sad sich über sich selbst lustig machen, aber auch über dieses eu-europa, das ja keineswegs so ein gottesgeschenk ist, wie manche leute gerne annehmen.

ich werde hier in mehreren schritten von diesem einen tag erzählen, um dadurch anschaulicher zu machen, daß die VIER GENRES [link], welche ich für “kunst ost” dingfest gemacht und in zusammenhänge gestellt habe, daß diese vier genres ein GANZES ergeben, ein “größeres ganzes”, das (in meinem fall) dann eben AUCH von kunst handelt.

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[balkan buro]


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