# 049
[15•01]

[verlag]

[house] über das fremde & die peripherie


Bibliothek - wozu?

Von Wolf Rauch

Textauszug!
Den Volltext
können Sie hier
downloaden:
[LINK]
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Magnifizenz, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das Thema des diesjährigen Bibliothekartages ist modern – geradezu reißerisch "Produktionsfaktor Wissen". Ich hoffe, ich bin nicht der einzige, der diese Wortwahl als (wenn auch gezielte) Provokation empfindet: Wie weit sind wir gesunken, wenn wir "Wissen", das wichtigste und "heiligste" Kulturgut des Menschseins auf seine Rolle als Produktionsfaktor – horribile dictu – beschränken. Auf eine Stufe stellen mit Erdöl, Elektrizität und Maschinenlärm. Goethe als Rohstoff – Kant vielleicht gar zur Steigerung der Milchleistung von Kühen.

Auf eine Provokation kann man mit Entsetzen reagieren oder mit einer Gegenprovokation. Ich wähle den zweiten Weg: Wenn wir Wissen auf seine Rolle als Produktionsfaktor reduzieren – was hat dann die Bibliothek damit zu tun? Ist in einer Informationsgesellschaft noch Platz für Bücher und Bibliotheken? Oder, konstruktiv formuliert: Welche Rolle könnte die Bibliothek in einer Gesellschaft haben, in der Wissen zum Produktionsfaktor geworden ist?

Ich will also über die Informationsgesellschaft sprechen. Somit über die nahe, die nächste Zukunft. Aber doch über die Zukunft. Damit wage ich mich auf ganz dünnes Eis vor – noch dazu vor einem so fachkundigen Publikum.

In einem ersten Teil will ich daher eine sehr ausführliche captatio benevolentiae absolvieren und über die Fallstricke der Zukunftsforschung sprechen. Ich brauche diese Vorbereitung, da ich im zweiten Abschnitt über aktuelle Prognosen zur Informationsgesellschaft sprechen werde – und die haben es in sich. Im dritten Teil werde ich schließlich auf die konkreten Konsequenzen für Bibliotheken zu sprechen kommen.

Zuerst also zu Grenzen und Möglichkeiten von mittelfristigen Prognosen:

Die zeitliche Perspektive des Menschen ist ja sonderbar verzerrt: Rückblickend scheinen uns die unwahrscheinlichsten Entwicklungen plausibel - geradezu zwingend. Die Voraussage auch nur relativ geringer Veränderungen für die Zukunft tun wir hingegen leicht als bizarre Hirngespinste ab.

Zwei Beispiele dazu: Was hätten Sie von einem Zeitungskommentar gehalten, der vor einem Jahr, vielleicht sogar noch Anfang Jänner, für September 2000 prophezeit hätte, daß
• Bundeskanzler Viktor Klima VW-Manager in S-Amerika sein wird
• die ÖVP laut Umfragen die stärkste Partei sein wird
• und die Bank Austria an Deutschland verkauft sein wird (ich weiß wohl daß dieser letzte Satz möglicherweise nicht stimmt).

Und das bei einem so kurzen Zeithorizont von 9 Monaten und einem Gebiet, auf dem wir uns alle als Staatsbürger recht gut auskennen sollten. Von heute aus zurückblickend wirkt das alles durchaus zwingend und logisch.

Umgekehrt, wenn wir in die Zukunft schauen, rechnen wir eigentlich immer mit der Fortschreibung des status quo, allenfalls mit einem linearen Trend.

Vielleicht erinnern Sie sich, daß ich vor einem Vierteljahrhundert eine Untersuchung des wissenschaftlich-technischen Informationswesens in Österreich durchgeführt habe. Die VÖB und viele ihrer Mitglieder haben mich damals mit Rat und Tat unterstützt, wofür ich mich hiermit gerne nochmals bedanke. Es war das übrigens die erste Delphi-Studie in Österreich – viele sind ihr seither gefolgt.

Damals gab es kein Internet, Bildschirmtext erst in den Anfängen, und praktisch keine mobile Telephonie. Der Computer hat in den Bibliotheken gerade erst Einzug gehalten und naturwissenschaftliche Zeitschriften waren noch billiger als Autos.

Von den Teilnehmern dieser WTI-Delphi Studie wurden als wichtigste Maßnahmen für die Bewältigung der Zukunft gesehen:
• Der praktische Einsatz möglichst aller bekannten Möglichkeiten der Dokumentation.
• Bessere Ausbildung und Information.

Die wichtigsten technischen Entwicklungen, welche die Teilnehmer des Delphi-Panels bis 2000 erwartet hatten, waren im Bereich der Datenerfassung und des Retrievals.

[...]

(Dies ist ein Auszug aus dem Festvortrag von o.Univ.Prof.Dr.Wolf RAUCH zum 26.Österreichischer Bibliothekartag, 19.- 23. September 2000, Wien. Quelle: http://bt2000.univie.ac.at/vortr.html)

Portrait Wolf Rauch [HIER]
Institut für Informationswissenschaft [HIER]



Den Volltext können Sie
hier downloaden: [LINK]



verlag | [house] home | feedback | kultur.at-aviso