kunstraum.gleisdorf: Neue Räume


Das Netz – eine kritische Zwischenbilanz
Geschäft, Information, Netzkultur, Netzkunst
Von Franz Krahberger

Die virtuelle Welt des Netzes versammelt Informationen aller Art, geschäftliches, informatives, mitteilsames, privates, wissenschaftliches, kulturelles, neumediales, literarisches, brisantes, beliebiges, wesentliches, unwesentliches, pornografisches, religiöses, philosophisches, zeitaktuelles, kriminelles und unter vielem anderen offizielles.

Für den Informatiker sind es schlichte HTML-Dateien, diverse Video und Audiodateien. Der Inhalt kümmert ihn nicht. Er sieht das Netz vor allem in seiner Verbindungs- und Übermittlungs- funktion, aus dem Blickwinkel der medialen Präsentation und der Interaktivität, als Datenmengen, nach selektiven Kriterien, nach Funktionen des Erfassens und des Auswählens.

Künstler, PR- und Werbeleute, Medientheoretiker preisen die revolutionären Perspektiven des Internets, entwerfen virtuelle Welten und beschwören erneut den Techniktraum dieses Jahrhunderts. Die Einflussphären der traditionellen Medien wie TV, Rundfunk, Presse werden in Frage gestellt und tatsächlich gibt es bereits merkbare Verschiebungen der Konsumentenströme vom TV hin zum Internet. Nicht nur daß der Verkauf von PC jenen von TV Geräten im Jahr 2000 überholen wird, verbringt heute bereits eine wachsende Anzahl von Menschen mehr Zeit im Internet als vor den TV- Schirmen. Dort wo sich viele Menschen versammeln, werden alsbald die Signale und Botschaften der Marktwirtschaft ausgesandt.

All jene, die noch glauben, ihren gesellschaftlichen Utopien und künstlerischen Visionen mittels der Neuen Medien einen uneinholbaren Vorsprung erringen zu können, sind schlecht beraten. Die realen Verhältnisse bestimmen auch die virtuellen. Das Internet als Ort einer fröhlichen, anarchischen Gemeinschaft von Wissenschaftlern, Freaks und Medienkünstlern, die einer von Besitzverhältnissen freien Gesellschaft zustreben ist passe.

Dort wo Besitz- und Machtverhältnisse einziehen, werden die Grenzen erneut gezogen. Wirtschaft- und Grossprovider werden künftig den Charakter des Netzes entscheidend bestimmen. Der öffentliche Sektor hat seine Möglichkeiten zu wenig und vor allem zu langsam wahrgenommen. Die vielen kleinen Initiativen werden voraussichtlich ökonomisch nicht durchhalten.
Längst finden Verdrängungswettbewerbe unter den Providern statt, die grössere Verbände entstehen lassen, gegenüber denen kleine und mittlere Anbieter kaum mehr Chancen haben . Unter den kleinen geht die Angst um, weil sie einfach die finanziellen Mittel für eine langfristige Aufrechterhaltung des Betriebes und des Angebotes nicht aufbringen können bzw. den Ausbau ihres Angebotes bereits eingestellt haben, vielleicht auch deswegen, weil die erhoffte und ersehnte Resonanz ausgeblieben ist und zwangsläufig der Euphorie und dem emphatischen Handeln die reale Einschätzung folgt.
Für viele war das Internet eine Chance, gegenüber den traditionellen Medien mit geringen Mitteln potentielle Öffentlichkeit zu erreichen, aus dem öden Einerlei der Kabelprogramme und der Printmedien auszubrechen, einen virtuellen Traum zu träumen und gleichzeitig mit eigenem Angebot real präsent zu sein.
Sie waren die eigentlichen Schrittmacher der Vernetzung, die das Net aus dem akademischen Raum in den breiten öffentlichen getragen haben. Sie waren die ersten Siedler des elektronischen Kontinents und haben die Neugier einer grossen Öffentlichkeit geweckt. Jetzt müssen sie erkennen, dass ihre Kräfte begrenzt sind und sie gegenüber Kapitalinteressen nicht bestehen können.
Das entspricht der tragischen Rolle aller fortschrittlichen Initiativen in Gesellschaft, Kunst und Kultur. Eine kleine Avantgarde macht ein neues Feld publik, gestaltet es mit. Mit dem wachsenden Interesse der Massen wächst die Begehrlichkeit kapitalkräftiger Investoren, die das Feld dann unter ihren Einfluss bringen und nach ihren strengen Regeln und vor allem mit ihrer finanziellen Kraft bewirtschaften.

Noch ist jedoch nicht klar ob sich mit dem Netz auch jene Entertainmentkriterien und Infotainmentqualitäten entwickeln lassen, die den Zuspruch der Massen finden werden. Fast jedes Unternehmen das auf sich hält, hat eine virtuelle Auslage eingerichtet, in der ihre Produkte präsentierten, zum Teil bereits mit elektronischen Warenkörben für den On-Line Handel ausgerüstet. Wissenschaftliche und öffentliche Institutionen berichten über ihre Aktivitäten und im staatlichen Bereich werden die Grundlagen für bürgernahe elektronische Information und Verwaltung gelegt.

Selbst verständlich rechnet es sich für ein paar Prospektoren der ersten Stunde, die im Aufwind zu Einfluss und Vermögen gelangen. Und es mag vielleicht ein paar Netzpiraten geben, die ihren desperaten Status in einen respektablen Beraterrang um- zuwandeln imstande waren.

Radikale halten gegenüber der fortschreitenden Kommerzialisierung Subversität für angebracht. bringen Infoterror und Infowar ins Spiel, um eine vermeintlich freie und nun wieder vereinnahmte Zone zu verteidigen. So wurde anlässlich der Ars Electronica 98 in Linz nicht nur der mediale Krieg profund diskutiert. Der holländische Netzaktivist Lovink hat gar in diesem Rahmen einen Info Weapon Contest ausgerufen.
Der Wiener t0 Server, versendet regelmässig Hassmails an den vermeintlich alles erdrückenden grossen Bruder . [...]

[Textauszug! Volltext hier als RTF-File downloadbar!]
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