Fahrenheit reloaded: Der Brief

Ist es eine Ente?

Der Volksmund sagt ungefähr: Wenn es geht und quakt und schwimmt und aussieht wie eine Ente, wird es wohl eine Ente sein. Ist der Begriff Zeitungsente noch im Umlauf? Damit bezeichnet man erfundene Fakten, die publiziert werden. Heute heißt das eher Fake News oder Alternative Facts, was niemals freundlich gemeint ist.

Stadtrat Harald Lembacher ist Parteivorsitzender der Gleisdorfer FPÖ. Sein Mandat verpflichtet ihn also nicht bloß dem FPÖ-Klientel, er ist auch der Kommune in einer klaren Verantwortung und zur Redlichkeit angehalten. Hat er aufgrund einer Zeitungsente oder aufgrund stichhaltiger Fakten zwei Gleisdorfer Politiker desavouiert?

Ich hab von der Gleisdorfer FPÖ bisher keine Antwort auf meinen offenen Brief erhalten. Man fühlt sich also für dieses Thema nicht zuständig. Oder doch? Am Vormittag des 7. Novembers war auf der Facebook-Leiste der Gleisdorfer FPÖ in Versalien zu lesen:

„ÖVP GEMEINDERAT AUS GLEISDORF FORDERT 90.000€ VON ALLEINERZIEHENDER MUTTER“



(Quelle: Facebook)

Das ist a) erstaunlich und b) ein wenig irreführend. Frau Tanja Lederer, die da gemeint wurde, ist nicht bloß alleinerziehende Mutter. Sie ist auch politische Aktivistin. Und sie ist eine der Frontfrauen der Gleisdorfer Protestbewegung. Sie ist überdies die Schlüsselperson eines Kulturvereins, der nun seit geraumer Zeit im Raum Gleisdorf politisch agiert und agitiert. Kann man das als Stadtpolitiker übersehen haben?

An Lederers Aktivitäten ist nichts auszusetzen, denn es geschieht im Sinn einer Res publica und gemäß zeitgenössischer Auffassungen von Demokratie. Zumindest so lange durch solche Agitation kein Rechtsbruch erfolgt. Also darf sich Tanja Lederer auf unsere Grundrechte berufen und tun, was ihr beliebt. Dabei wäre nicht einmal die Kategorie „Gute Sitten“ einengend. Einzig unsere Gesetze, Basis der Bürgerrechte, auf die sich Lederer beruft, sind relevante Grenzen.

Allerdings gibt es vermutlich einen Tatbestand. Auch ich hatte das umstrittene Telefonat gehört, weil es online und via Facebook verfügbar war. Ein illegaler Mitschnitt, der von einer politischen Agitatorin in einer politischen Kontroverse gegen den Politiker Wolfgang Weber eingesetzt wurde.

Siehe dazu meinen Text vom 22.2.2022, Zitat: „Lederer postete einen Videomitschnitt des Telefonats. Ich fasse zusammen: ‚Hab abgesagt. Keine Zeit. Bin im Fitness-Studio.‘ (Ja, der Spott hat gesessen. Zweiter Punkt für Weber.)“ [Quelle]

Es steht Herrn Lembacher frei, als aktiver Politiker diesen Zusammenhängen eventuell nicht gewachsen zu sein. Es wäre aber ein Ausdruck von Professionalität, in so einem Konflikt auf Rollenklarheit zu achten.



(Quelle: Facebook)

Das bedeutet: Lassen wir beiseite, wie unrealistisch die genannte Summe (€ 90.000,-) angesichts des vermutlichen Tatbestandes erscheint. Aber Frau Lederer ist bloß eine „alleinerziehende Mutter“, nun das „Opfer“ schäbiger ÖVP-Politiker? So nämlich der Tenor des FPÖ-Postings.

Da darf ich an einigen der Kompetenzen des FPÖ-Politikers leisen Zweifel empfinden und fühle mich nicht sehr wohl, daß er einem so wesentlichen Gremium der Kommune angehört. (Ich will doch nicht annehmen, daß ich vorsätzlich belogen oder getäuscht wurde!)

Wie an anderer Stelle schon erwähnt, ich hab mich bei Wolfgang Weber persönlich nach dieser Causa erkundigt. Er beteuerte, sowohl die Headline der Kleinen Zeitung, wie auch Details des Artikels seien in wesentlichen Punkten kontrafaktisch. Er faßte mir seine Sicht der Dinge in einer Mail zusammen, die ich off records erhielt. Die erging mit gleicher Post an den Bürgermeister und Nationalratsabgeordneten Christoph Stark.

Das heißt zwingend: hätte mir Weber mit dieser Mail einen Bären aufgebunden, käme das (bei solcher Evidenz in meinen Händen) einer Möglichkeit gleich, sich politisch mit nur einem Schuß durch beide Knie zu ballern. (Das halte ich für undenkbar!)

Die politische Aktivistin Lederer ist also laut FPÖ bloß eine Mutter, „deren Existenz von einem ÖVP- Gemeinderat bedroht wird!“ Und in der Kleinen Zeitung wurde ein Check, aber auch ein Gegencheck verwertet, also sauber recherchiert, um dieser heiklen Causa gerecht zu werden. Okay. Ich hol mir jetzt Popcorn.

+) Siehe zur Causa auch meine Notiz Eine Frage der Rechtssicherheit


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