martin krusches [flame] logbuch / blatt #81


Gleisdorf: Der Anfänge
Erste Motorräder und Automobile wirbeln Staub auf

Im Jahr 2012 sah ich den Albl Phönix zum ersten Mal real. Er stand auf dem Gleisdorfer Kirchriegel. Bis dahin kannte ich dieses Fahrzeug nur aus Büchern. Diese Voiturette ist 1902 vom damals renommierten Fabrikanten Benedict Albl erzeugt worden.

Handwerker Sepp Schnalzer hat den Phönix aus einem erbärmlichen Zustand aufgebaut und ihm auch wieder den zarten Einzylinder-Schnüffelmotor von De Dion verschafft. All das berührt eine Ära, in welcher der Automobilismus gerader erst begann, sich in der Steiermark zu verbreiten.

log81a_albl.jpg (38963 Byte)

Der Albl Phönix von 1902

Wie zeitgenössische Abbildungen zeigen, hat Schnalzer das ursprüngliche Erscheinungsbild dieser Voiturette, so nannte man die „Leichtwagen“ damals, sehr gut getroffen. Dieses Vehikel ist das älteste fahrbereite Automobil aus steirischer Produktion.

In jener Zeit konnten sich nur wenige Menschen ein Kraftfahrzeug leisten. Der Arzt Dr. Hermann Hornung gilt als erster Automobilbesitzer Gleisdorfs. Brauereivertreter Robert Rüpschl war der zweite. Die landesweite Entwicklung wirkt aus heutiger Sicht sehr moderat, war aber für weite Teile der Bevölkerung äußerst beunruhigend.

Dazu gab es häufig Kontroversen mit Kutschern und Fuhrleuten, denn viele Pferde scheuten bei der Begegnungen mit den neuen Kraftfahrzeugen. Auch das Vieh auf den Wiesen soll gelegentlich sehr heftig reagiert haben.

In den Ortschaften wie auch außerhalb beklagten die Menschen Geruchs- und Lärmbelästigung, am allermeisten und wohl auch am öftesten den „Geschwindigkeitswahn“ der Kraftfahrer. (Beim damaligen technischen Standard und dem Zustand der Straßen lag die höchste erreichbare Geschwindigkeit eher unter als über 40 km/h.)

log81b_gsellmann.jpg (28486 Byte)

Das Ochsengespann der Familie Gsellmann, dessen Fahrgestell
heute Teil des Fundamentes von Gsellmanns Weltmaschine ist

Wegen der Klagen über wachsende Rücksichtslosigkeit der Autler war schon 1899 ein Entwurf für Limits auf dem Tisch, der „eines Pferdes frischen Trab“ als zulässige Höchstgeschwindigkeit empfahl. Nun hatten unter der Landbevölkerung der Oststeiermark nur wenige Leute Pferde. Es dominierten Ochsen und Kühe als Zugtiere, es galt die Faustregel: „Alles, was schneller ist als ein Ochs, ist ein G’lump.“

Im oben erwähnten Jahr 1902 beantragte die Landwirtschaftsgesellschaft eine strengere Fahrordnung und „zur leichteren Eruierung bei Unglücksfällen“ eine leicht erkennbare Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge.

Die Einführung eines Nummernzwanges erzeugte natürlich ebenso Widerstände, wie der Vorschlag, in Ortschaften mit breiten Straßen das Limit auf 10 km/h zu setzen, bei Orten mit engen und gekrümmten Straßen gar nur 6 km/h zu erlauben.

log81c_gsellmann.jpg (36153 Byte)

Gsellmanns Weltmaschine: Die Maschinisierung der oststeirischen
Landwirtschaft setzte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein

Die Nummerntafeln kamen dann freilich 1905. Dadurch wußte nicht nur die Behörde genauer bescheid, wer was fuhr, diese Evidenz war allgemein verfügbar. Zuerst stand auf der Tafel eine Länderkennung in alphabetischer Reihung. Das A wurde an das Wiener Polizeirayon vergeben, die Steiermark erhielt das H. Danach folgte die Evidenznummer des einzelnen Fahrzeuges in arabischen Ziffern.

In diesem Jahr 1905 wurde der gesamte steirische Kraftfahrzeugbestand auf etwa 50 geschätzt. Daher meinte man, im Bezirk Weiz mit einem Kontingent von 28 Nummern auszukommen. Das waren die Nummern 971 bis 999. (Ich hab leider keine Ahnung, wohin die Nummer 1000 ging.)

Damals fiel es noch leicht, den Überblick zu wahren. Aber das änderte sich schnell. 1912 waren im Bezirk Weiz 23 Nummern an Besitzer von Automobilen und Motorrädern ausgegeben worden, 1914 waren es 30.

Nachdem bei der Fahrzeugregistrierung in der Steiermark mittlerweile die Tausender-Marke längst gefallen war, wurde den Evidenznummern die römische Zahl I oder II vorangestellt.

log81d.jpg (13652 Byte)

So hatte der Gleisdorfer Theodor Blumauer auf seinem Fahrzeug noch eine nackte 996, der Apotheker Richard Mayr fuhr mit dem Kennzeichen I 974. Vor ihm war der oben erwähnte Brauereivertreter Robert Rüpschl mit der Evidenznummer I 972 für ein Motorrad gelistet, hatte aber auch die 975 für ein Automobil. Dr. Hermann Hornung führte diese Liste an, fuhr ein Automobil mit der 972.

+) Der Albl Phönix von Sepp Schnalzer [link]
+) Einige Notizen rund um Gsellmanns Weltmaschine [link]

[Gleisdorf] [Formengeschcihte]
reset [5/15] home