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[34•01]

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Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #9

Hartmut Skerbisch
Von Martin Krusche

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Hartmut Skerbisch hat 1998 jenen "Solarbaum" geschaffen, dem Gleisdorf heute den Charakter eines Wahrzeichens beimißt. Jahre davor hat er mit dem "Lichtschwert" in Graz für Aufsehen und Debatten gesorgt. Auch dieses Werk hat den Rang eines städtischen Wahrzeichens erhalten. Worin liegt wohl solche Wirkung? Zumal Skerbischs Arbeiten keineswegs ästhetische Gefälligkeitsakte sind und formal sehr spröde erscheinen.

Im Gleisdorfer Stadtpark steht zur Zeit ein Pavillon zum Thema Energie, den der Künstler ursprünglich mindestens doppelt so groß konzipiert hatte. Und der hiesigen Jugendlichen schließlich überlassen werden sollte. Sicherheitsbedenken der Verantwortlichen ließen das Projekt kleiner werden. Dabei ist Skerbisch jemand, der mache seiner Werk bewußt preisgibt. Gerade im Zusammenhang Jugend. Wo allgemein häufig Bedenken herrschen, unter deren Händen gingen zu viele Dinge kaputt. Skerbisch sieht junge Menschen, die bauen was, andere zerstören das oder Teile davon. Aber das sei eben auch etwas von Kommunikation und Erfahrung. Das solle man bei manchen Angelegenheiten in Kauf nehmen ... als Lernprozeß für Verhalten im öffentlichen Raum.

Hartmut Skerbisch hat sich in seiner künstlerischen Arbeit dem Wesen und den Möglichkeiten der Skulptur verschrieben. Aus klassischer Sicht ist Skulptur das Freilegen der Form aus dem Material. Zeitgemäß bedeutet das für Skerbisch: Was ist das Rätsel der Gegenstände, die uns umgeben und die wir handhaben? "Da mag ich nicht an der Oberfläche bleiben." Er dringt in die Körper ein. So geht er den Prinzipien, auch Geheimnissen der Natur und des Materials nach, um zu klären, wie es zu den Formen von Gegenständen kommt. Er fragt freilich auch nach den Wirkungsweisen. Folglich sind seine Themen und seine Lösungsansätze gleichermaßen in der Kunst und in der Wissenschaft angelegt.

Die Ästhetik hat für ihn keinen Eigenwert, sondern ist ihm "dienendes Element", um Themen zu transportieren. So gesehen mag gelten: Die Welt kann erzählt werden. Es geht für Skerbisch darum, Strukturen sichtbar zu machen. "Der Eiffelturm", sagt er, "ist nichts anderes als das Zeigen, was Stehen technisch gesehen bedeutet." Gewicht. Höhe. Kräftespiele. Natürlich ist Skerbisch auch vom Thema Energie sehr fasziniert. Er bestaunt, welche Bilder sich Menschen davon heute machen. Wasser, Erde, Feuer und Luft. Elemente? Energien? "Der Mythos von den vier Elementen hat ja nie versucht eine Aussage über Energie zu machen, sondern die Entstehung der Welt zu erzählen." Laut Skerbisch sei erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich geworden, was die Idee von "Energie" meint. Davor sei das eigentlich kaum ein Thema gewesen.

"Mit der Formulierung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik begann ein Prozeß, in dem der Begriff dann langsam in das Alltagsbewußtsein einging." Dieser Prozeß ist mit so klingenden Namen wie Kelvin, Joule, Planck, Fermi und Prigogine verbunden. (Den "allgemeinen Satz der Erhaltung der Energie" stellte Mayer 1845 auf. Die mathematische Formulierung des ersten Hauptsatzes erstellte von Helmholtz zwei Jahre später.)

Während so der alte Mythos von den vier Elementen hinfällig geworden sei, fand sich eine neue Deutung dieser grundlegenden Belange, die kurioser Weise wieder auf vier Aspekte gestellt ist. Skerbisch nennt erstens die Gravitation und zweitens den Elektromagnetismus als Kräfte von unendlicher Reichweite. Ferner drittens die sogenannte "Starke Kraft", die in der Kernphysik behandelt wird und sich auf Atomenergien bezieht. Viertens die "Schwache Kraft", die mit der Bildung der Elemente und mit radioaktivem Zerfall zu tun hat. In diesem Zusammenhang zeichnet Skerbisch ein provokant wirkendes Bild. So gesehen sei die Atombombe die relevanteste Skulptur des 20. Jahrhunderts. Sie habe in einem einzigen Augenblick klar gemacht, was in dem Bild stecke. Sozusagen: "Die Energie aus den Beschreibungen ist zutage getreten." Auch in dieser Schreckensvariante zeigt und beweist das Objekt: "Die neue Erzählung von den Atomen ist kein Märchen." Diesem Prinzip sieht Skerbisch seine Arbeit gewidmet. Jedes seiner Kunstwerke "ist das punktweise Herausgreifen" solcher Klarheiten vor dem Hintergrund der "großen Erzählung Welt", die durch das Einzelne Stück mindestens erahnbar wird. So sind an seinen Werken weder Maße noch Formen Zufall oder das Ergebnis einer verspielten Handschrift.

Daß er mit seinen Arbeiten vor allem in den öffentlichen Raum geht, hat mit den Dimensionen zu tun. Menschliches Körpermaß zu überschreiten ist die Voraussetzung für die Eindrücke und Erfahrungen, die Skerbisch anzubieten versucht. Die Miniatur beziehungsweise das einfach Betrachtbare sei ein Appell an den Intellekt, meint Skerbisch. Etwas, das man über das Denken aufnehmen können. Wenn aber der ganze Körper gefordert sei und man sich Körperlich zu einem Werk in Beziehung bringen müsse, mache man ganz andere Erfahrungen, die anders eben nicht zu vermitteln sind.



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