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Gleisdorfer Stadtjournal: "Stimmen" #18

Irmgard Eixelberger
Von Martin Krusche

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Was für eine Figurenwelt! Irmgard Eixelberger hat sich für ihre künstlerische Arbeit ein ungewöhnliches Medium gesucht. Maisstroh. Kombiniert mit anderen Materialien. Aber im Zentrum bleibt dieses lebendige, flexible, oft unberechenbare Blätterwerk. Eixelberger betont, das sei ein Arbeiten „mit dem gesteuerten Zufall”. Denn anfangs sei es „feucht und weich wie Textiles”, könne auch wie Stoffgewebe verarbeitet werden. „Später wird es hart wie Holz.” Ein Prozeß, in dem sich das Geformte noch verändert. Volkstümlich werden solche Figuren „Gschalerpopperl” genannt. Puppen aus „Schalen” des Kukuruz. Es haftete diesen Dingen ursprünglich etwas folkloristisches an. „Das hat vor allem in unseren östlichen Nachbarländern Tradition. Es ist von dort als Massenprodukt zu uns gekommen.”

Das liegt Jahrzehnte zurück. Und war damals eine Bereicherung des Bastelsektors. Dekoration. Sozusagen: angewandte Lieblichkeit. Ein Wort, auf das Eixelberger fast allergische Reaktionen zeigt. Das Liebliche. Von dem Zugänge verstellt, Blickwinkel auf hübsch gefärbt werden. Sie sagt zum Beispiel: „Ich mag keine liaben Kripperln.” Die scheinbar heile Welt erachtet sie als Fluchtort. Als ein Rückzugsgebiet, dem sie ihre künstlerische Arbeit entgegenstellt.

Wodurch sich das Künstlerische von der Bastelei unterscheidet? Intention. Die Absicht wiegt. Dazu kommen Sachkenntnis über die Materialien und ihre Anwendung. Ästhetische Erfahrung. Das Gestalten will nicht bloß Abbilden sein. Es kommen überdies Themen und Inhalte dazu, von denen die Figuren handeln.

Die Wurzel von Eixelbergers heutiger Arbeit liegen in der Vergangenheit Gleisdorfs. Als eine wachsende Drogenproblematik auf ein erhebliches Krisenpotential zwischen den Generationen hinwies. Denn das wurde einigen schon klar: das könne man nicht einfach bloß den Jugendlichen zuschreiben. In dieser Brisanz fanden unter Eltern und Lehrerschaft einige zusammen. Um sich diesen Problemen gemeinsam zu stellen. Und ihrerseits zu erfahren, daß die Risse auch quer durch die Erwachsenenwelt liefen. Das war in Gleisdorf die Zeit einer „Elternschule”. Wo etwa gefragt wurde: „Wie sieht es denn in den Familien aus?” Was oft bei traditionellen Familienfesten sehr deutlich zum Vorschein tritt.

Eixelberger fragte sich und andere: „Wie feiert man Feste?” Das bezog sich damals gerade auf Weihnachten. Es wurde Anlaß für eine kleine Krippenausstellung. Einige Frauen prüften: „Was haben wir denn an Krippen zuhause?” Eixelberger: „Und es hat sich gezeigt, wie hatten nichts als Kitsch. Da hab ich dann meine erste Krippe gemacht. Aus Maisstroh. Und ich hab damit nicht mehr aufgehört.” Das war Mitte der 70er-Jahre.

„Das Vorgefertigte war eben alles so lieb. Aus Papier, Holz und Plastik. Massenware, die Dekoration und Stimmungsmittel sein will.” Sie sagt energisch: „Stimmung! Was soll denn das sein?” Wenn man ihre Arbeiten sieht, möchte man annehmen: keine billige Sentimentalität. Eixelberger kam von der Malerei, also von zweidimensionaler Darstellung des Ausdrucks. Dann ging sie in den Raum, ins Dreidimensionale. Mit diesem merkwürdigen Pflanzenmaterial. „Es spiegelt die Lebensbedingungen der Pflanze. Nach einem schlechten Sommer sind die Blätter dünn wie Papier. War Schimmel drauf? Dann sehen sie anders aus als bloß bleich und gebügelt.”

Eines ihrer großen Themen ist die versinkende agrarische Welt, ist das bäuerliche Leben. Die Befassung mit dem Brauchtum bedeutet für Eixelberger: die Frage nach den Festen und Ritualen, mit denen Menschen ihrem Leben Glanzpunkte und Halt geben. Wovon Identität eben auch getragen wird. Samt ihren möglichen Brüchen. Was auch nach den möglichen Folgen fragen läßt, wenn sich in solchen Bereichen Defizite zeigen. „Die Kenntnis der Bräuche, das betrifft unsere Wurzeln. Brauchen wir Bräuche? Wir waren einmal Dorfgemeinschaften. Das haben wir alle noch in uns. Meine Großeltern waren Bauern. Alle.”

Doch in wenigen Jahrzehnten hat sich diese agrarische in eine Massengesellschaft transformiert. Das Kleinräumige wurde aufgebrochen. Eixelberger befaßt sich konsequent mit den kulturellen und mentalen Folgen dieser Prozesse. Sie forscht, recherchiert, reflektiert, bildet die Ergebnisse ihrer Reflexionen in ihrer Arbeit ab. Das kann man aus den Figuren herauslesen.



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