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Gleisdorfer Stadtjournal:  "Stimmen" #26

Chuck LeMonds
Von Martin Krusche

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Der aus Wisconsin stammende Amerikaner soll als Teenager ein sehr wilder Kerl gewesen sein. „Die Musik hat mein Leben gerettet.“ sagt er heute. Im Sinne von „positiver Aufmerksamkeit“. Im Sinne von Kommunizieren, Gefühle ausdrücken. Das war ihm klar, nachdem er mit 18 seinen ersten Auftritt hinter sich gebracht hatte. Von da blieb es noch ein weiter Weg in die Oststeiermark. LeMonds studierte Germanistik. „Um eine fremde Sprache zu lernen.“ Ein Österreichbesuch sollte diesem Zweck dienen, eine Frau bewog ihn hierzubleiben. Anfang der 90er.

Steht er auf der Bühne, geht er ganz in diesem Zustand auf, den er sonst meidet. Öffentlichkeit. Mit seinem Publikum im Wechselspiel. „Da denke ich weder an die Zukunft, noch an die Vergangenheit.“ Eine völlig gegenwärtige Situation. In der er offenbar auf eine Intensität setzt, die ihren besonderen Rahmen braucht.

LeMonds kommt vom „Bluegrass“, einer ländlichen Musik, die der Kommerzialisierung weitgehend widerstanden hat. Er sieht sich in der Tradition von Woddy Guthrie, Bob Dylan und Neil Young. Das ist ein Hintergrund, wie wir ihn hierzulande nicht haben. Der Typus des Sängers und Songschreibers, der sehr ernsthaft relevante Themen des Lebens behandelt, wie wir das eher von anspruchsoller Literatur erwarten. In eine musikalische Form gefaßt, die etwas ganz anderes meint als Schunkeln oder Kaufhausbeschallung.

Das Erzählen, die Emotionen, die Kommunikation. Darauf stützt sich LeMonds mit Leidenschaft. „Was ich sehe und was ich wahrnehme drücke ich aus.“ Auch aus der Erfahrung des Fremdseins. Er hatte ja Hochdeutsch gelernt. Was einem als Neuankömmling in der Oststeiermark wenig hilft. „Die ersten ein, zwei Jahre waren wahnsinnig schwierig.“ Er verstand die Menschen kaum. „Man traut sich anfangs nicht, in der fremden Sprache den Mund aufzumachen.“ Es fehle den meisten Menschen an Achtsamkeit gegenüber den Fremden. Es kommt Heimweh dazu ... wenn man alles Vertraute hinter sich gelassen hat. „Fünf, sechs Jahre hat es gebraucht, bis dieses Gefühl der Fremdheit weg war.“

1998 kam seine bisher fünfte CD „Road to Limbo“ heraus. Im Herbst wird das nächste Album folgen. LeMonds pflegt in diesen Dingen die Langsamkeit. „Ich bin sehr geduldig geworden.“ sagt er. „Da soll alles stimmen. Mein Lieblingsbild ist der Bogenschütze, der in Ruhe auf den richtigen Moment wartet.“

Das intensive Arbeiten an Inhalten (die Themen) und an der Verfeinerung der Form (die Musik), die Konzentration auf das Gelingen von Kommunikation (die Auftritte) haben LeMonds inzwischen noch eine andere Ebene des Engagements nahegelegt. Was auf ein Erlebnis in den USA zurückgeht. Wo er zu einem „Männerwochenende“ eingeladen war. Mit erheblichen Konsequenzen für sein Leben. Ausgehend vom Motiv der Initiation, die in anderen Kulturen quasi das Tor des jungen Menschen ist, durch das er in das Erwaschsensein eintritt. Das Motiv der „Heldenreise“ ist natürlich auch in den europäischen Mythen zu finden, aber sozusagen von kommerzialisierten Inszenierungen überlagert worden.

LeMonds nennt das „Männerarbeit“. Umschreibt es etwa so: „Was blockiert mich meine Träume auszuleben, meine Ängste anzuschauen, so zu sein, wie ich eigentlich bin?“ Dem geht er gemeinsam mit Bernd Böchzelt im Projekt „Go for Gold“ nach. Eine Art ideelle Schatzsuche, welche die beiden Männer in Workshops anbieten. Vor dem Hintergrund einer seit Jahren aktiven Männergruppe im Raum Gleisdorf.

In der Reflexion sagt LeMonds: „Als Teenager hat es mir die Musik ermöglicht, positive Aufmerksamkeit zu bekommen, ohne dafür randalieren zu müssen. Mit 44 will ich natürlich auf andere Art wahrgenommen werden. Da geht es um sehr konkrete Qualitäten.“ Was für ihn auch Thema der „Männerarbeit“ ist, mit der er sich nun seit rund zwölf Jahren befaßt. Einen sehr interessanten und grundlegenden Impuls bezieht er dabei offenbar aus den Erfahrungen seines Musikerlebens. Wenn man sich vielleicht nach Gründen, Sinn und Legitimation fragt: „Ich hab nie gedacht, ich will Künstler sein. Das entsteht einfach aus einem langjährigen Prozeß, in dem ich mich durch Musik ausgedrückt habe. Indem man es tut, da liegt auch schon die Begründung.“



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