Input #5

Gedanken zum laufenden Diskussionsprozess
(Innenstadt – meine ganz persönliche Meinung)
Von Christoph Stark

Was erwarten Menschen, wenn sie sich in das Zentrum einer Stadt begeben? Wie sieht dieses Zentrum Gleisdorfs in der näheren und ferneren Zukunft aus? Diese und weitere Fragen beschäftigen mich nun schon die letzten Jahre. Bereits der von Franz Schaller im November 2001 gestartete Marketingprozess versuchte auf diese Fragen Antworten zu finden.

Als Grundsatzfragen wären zu beantworten, ob eine Innenstadt in der Hauptaufgabe Wirtschafts- oder Wohnraum, Verkehrszone oder verkehrsberuhigte Zone, Raum mit anspruchsvoller Architektur oder einkaufszentrumsähnlicher Beliebigkeit sein soll? Was schließt einander aus, wo sind Kompromisse zwischen den Extremen möglich und sinnvoll?

Die grundsätzliche Haltung der Stadt zu diesem Thema wurde zuletzt in der Gemeinderatssitzung am 20.10.2005 eingefordert bzw. angeregt. Hier meine Meinung, zu der ich stehe und der ich auch in den kommenden Diskussionen versuchen werde, ein mehrheitsfähiges Gewicht zu geben:

Vor dem Umbau der Innenstadt war diese eine Handelszone, ein Verkehrsknotenpunkt mit allen Problemen, die die Menschen damals damit hatten. Es entsprach dem Stand der Technik und der gesellschaftspolitischen Meinung, dass Innenstädte anders auszusehen hätten. Wohl ein Raum, in dem der Handel seinen Platz haben sollte, aber kein Ort, an dem der motorisierte Verkehr eine entscheidende Rolle spielt. Dieser städtebauliche Flower-Power-Ansatz war somit in gewissem Maße eine Innenstadt-gestalterische Renaissance der 70er – und hatte damals durchaus seine Berechtigung.

Die Entwicklung und Veränderungen der letzten 10 Jahre haben unter den Innenstadtplanern aber sogar die Hardliner und Verfechter der zwangsweisen Beruhigung zum Umdenken veranlasst. Ihr Fazit:

Der Handel ist der Pfleger der Innenstädte. Ohne Handel sterben diese geschichtlich gewachsenen Zonen.

Eine Beruhigung (Fußgängerzonen) hat unter einer gewissen Frequenz (ca. 30.000 FußgängerInnen pro Tag) keinen Sinn und stellt für die Wirtschaft eine effektive Existenzbedrohung dar.

Der Boom des Handels rund um das Zentrum – in vielen Städten und Gemeinden entstanden Einkaufsdestinationen fern ab der Innenstädte – kam nahtlos im Anschluss an die Verkehrsberuhigung der Zentren, eine damals nicht absehbare Entwicklung, auf die heute reagiert werden muss.

Zurückkommend auf die eingangs formulierten Fragen kann ich die Meinung vieler Menschen als Antwort und gleichzeitig als Ansatz einer möglichen Lösung folgendermaßen zusammenfassen: Wir erwarten uns, dass wir in einem Ortskern Leben vorfinden, dass wir diesen Bereich als Ort der Kommunikation, der Möglichkeit andere Menschen zu treffen, als Raum zum Bummeln, zum Einkaufen, zu einem Lokalbesuch vorfinden und erleben.

Wenn eine Kommune nicht mit einer Weltneuheit, einer die Schlagzeilen füllenden, langfristig anhaltenden Attraktion aufwarten kann, muss man auf gegebene Muster und Verhaltensweisen der Menschen zurückgreifen. Und eines dieser Muster lautet: Die Bereitschaft der Menschen von A nach B zu Fuß zu gehen nimmt direkt proportional mit der Größe der Stadt ab. Ist man in Wien glücklich einen einigermaßen akzeptablen Parkplatz gefunden zu haben und nimmt eine Fußwegstrecke von einem Kilometer oder mehr gerne in Kauf, so verringert sich diese Bereitschaft zusehends, je kürzer die allgemeinen Distanzen werden. Ist es selbstverständlich, vom letzten Eck eines Parkplatzes in einem Einkaufszentrum zur begehrten Shoppingmall zu gehen, wird für dieselbe Distanz in einer Stadt wie Gleisdorf ganz gerne auf das Auto zurückgegriffen. Dabei sei dahingestellt, ob das gescheit ist oder nicht.

Daraus folgt, dass mangels einer irrwitzigen Attraktion (… das muss man einfach gesehen haben …) und in Ermangelung eines die menschliche Bequemlichkeit unterstützenden öffentlichen Verkehrsmittels der Individualverkehr in einer Stadt wie der unseren als zu akzeptierendes Faktum anzusehen ist, was wiederum nicht heißt, dass damit die Suche nach Alternativen zu Grabe getragen ist.

Das Zulassen des KFZ-Verkehrs ist die Sache der öffentlichen Hand, die inhaltliche Attraktivität des Handels und der Gastronomie jene der Wirtschaft. Es ist für das Überleben der Innenstadt nicht damit getan, Verkehrswege zu öffnen und eine ansprechende Architektur anzubieten. Die Betriebe sind ihrerseits gefordert, den Menschen das erhoffte Erlebnis beim Besuch dieser Zone zu bieten. Die Wechselwirkung und gegenseitige Abhängigkeiten liegen jedoch auf der Hand.

Ich sehe es als Aufgabe des Gemeinderates neben der sozialen, sportlichen, familiären etc. auch für eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu sorgen. Das schließt alle Betriebe in Gleisdorf ein, die schließlich mit ihrem Steueraufkommen einen Gutteil des städtischen Budgets bestreiten. Ungeachtet dessen ist es meine Auffassung, dass der Gemeinderat aber auch aufgerufen ist, für eine intakte Innenstadt als Herz unserer Kommune zu kämpfen. Das beinhaltet ein klares JA zur Wirtschaft in dieser Innenstadt und damit ein klares JA zu den in der Innenstadt arbeitenden Menschen, ein ebenso klares JA zu den erforderlichen Maßnahmen als Rahmenbedingung für eine funktionierende Wirtschaft, aber auch das Streben nach machbaren Kompromissen, die das Neben- und Miteinander von Auto-, Rad- und Fußgängerverkehr von Kindern bis zu unseren älteren Mitmenschen ermöglichen. Schlussendlich ist es auch die Aufgabe des Gemeinderates Entscheidungen zu treffen, manches Mal ist dabei ein gewisser Mut gefordert.

Für einen Konsens in diesem Sinne werde ich mich in den kommenden Wochen in die Diskussion und Entscheidungsfindung einbringen.

(Christoph Stark ist Bürgermeister der Stadt Gleisdorf und Repräsentant der ÖVP)


[die texte]

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