kunst ost (2050) glosse #4

Das Gespenst der Freiheit
(Juni 2012)

Den Titel habe ich von Luis Buñuel entliehen, der einen sehr komplexer Film so benannt hat: „Das Gespenst der Freiheit". Viele Menschen ahnen natürlich, weshalb sie Freiheit meiden. Sie bürdet einem allerhand Eigenverantwortung auf. Freiheit handelt schließlich nicht davon, daß alles egal wäre und einzelne Leute auf Kosten anderer beliebig expandieren könnten, sich einfach nehmen, was ihnen gerade paßt.

Manche berufen sich dem gegenüber gerne auf „Grenzen der Freiheit". Ich unterhalte mich lieber über Bedingungen der Freiheit. Wenn wir über Freiheit reden, dann reden wir vor allem über Selbstbestimmung. Wenn ich aber über mich selbst zu bestimmen habe, dann können nicht stets andere schuld sein, falls mir etwas nicht paßt. Das ist knifflig. Speziell auch, weil wir Menschen laufend von Wünschen bewegt werden, die oft genug unseren selbstgewählten Regeln widersprechen.

Ich denke, es ist ein Ausdruck von Freiheit, wenn ich mich entscheide, das zu unterlassen, was ich selbst für falsch halte, obwohl es mir gefallen würde. Das handelt auch von einem anderen, sehr brisanten Thema. Ich muß immer neu entscheiden, welche Balance ich zwischen Eigennutz und Gemeinnutz herstellen möchte.

Österreich erlebt etwa im Bereich seiner Spitzenpolitik gerade eine merkwürdige Superschau der Nehmer, Trickser, Abzocker. Leute, die offenbar keine Scheu haben, diese Republik auszuplündern. Es ist verlockend, sich darüber laut zu empören. Aber mir scheint, die wirkungsvollste Antwort auf solche Unsitten ist, es selbst ganz anders zu machen. Denn über das, was ich tun werde, hab ich ja jederzeit selbst zu bestimmen.

Martin Krusche

Publiziert in:
Die Oststeirische, Juni 2012

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