Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#40)

Vorwort (b)


Etwa zwei Monate vor diesem Ereignis wurde ich von einem Fieber erfaßt, das alle Symptome eines

tödlichen Verlaufes aufwies und von dem ich noch immer nicht völlig genesen bin. Zu dieser Zeit dachte

ich mit immer neuer Zufriedenheit daran, den ersten Teil von "Das Zeitalter der Vernunft" geschrieben

zu haben, und gratulierte mir selbst aufrichtig dafür. Ich hatte nur wenig Hoffnung, das Fieber

zu überleben, aber die mich umgaben - hatten noch weniger. Ich weiß daher aus Erfahrung um die

gewissenhafte Erprobung eigener Prinzipien.


Ich teilte die Zelle mit drei Kameraden: Joseph Vanhuele aus Brügge, Charles Bastini und Michael

Rubyns aus Louvain. Der unablässigen und bemühten Fürsorge dieser drei Freunde erinnere ich

mich dankbar und erwähne sie mit Freude. Zufällig waren auch ein Arzt (Dr. Graham) und ein

Chirurg (Mr. Bond) aus dem Gefolge von General O´Hara im Luxembourg. Ich kümmere mich nicht

darum, ob es ihnen als Engländern angenehm ist, wenn ich ihnen hier meine Dankbarkeit ausdrücke,

ich müßte mich selbst tadeln, unterließe ich es. Dank ergeht auch an den Arzt des Luxembourg,

Dr. Markoski.


Ich habe einigen Grund zur Annahme - ich sehe keinen anderen -, daß diese Krankheit mir das

Leben gerettet hat. Unter den Papieren Robespierres, über die im Konvent nach einer Untersuchung

berichtet worden war, fand sich eine Notiz in Robespierres Handschrift mit dem folgenden

Wortlaut:

 

"Demander que Thomas Paine soit décrété d´accusation, pour l´intérêts de l´Amerique autant que de la France.

Verlangen, daß Thomas Paine angeklagt wird, im Interesse Amerikas und dem Frankreichs.

 

Was dazu geführt hat, daß diese Intention nicht in die Tat umgesetzt worden war, weiß ich nicht.

Ich kann es auch nicht herausfinden - und vermute daher, daß meine Krankheit es verhindert hat.


Der Konvent lud mich - wohl um die mir widerfahrene Ungerechtigkeit so weit es in seiner Macht stand

wiedergutzumachen - öffentlich und einstimmig ein, zu ihm zurückzukehren. Ich nahm diese Einladung

an, um zu zeigen, daß ich eine Ungerechtigkeit aushalten konnte, ohne dadurch meine Prinzipien oder

Anschauungen zu verletzen: Wenn die richtigen Prinzipien verletzt werden, soll man sie deshalb nicht

aufgeben.


Seit meiner Freilassung habe ich einige Publikationen gesehen, die, teils in Amerika, teils in England, als

Antwort auf den ersten Teil von "Das Zeitalter der Vernunft" erschienen sind. Wenn es den Autoren

derselben Spaß bereitet - ich werde sie nicht davon abhalten. Sollen sie gegen mein Werk und gegen

mich selbst schreiben, was sie wollen: Sie erweisen mir damit einen größeren Dienst als sie geplant

haben, und es stört mich nicht, wenn sie zu schreiben fortfahren. Sie werden freilich, wenn sie diesen

zweiten Teil lesen, der nicht einmal als eine Antwort auf ihre Schriften gedacht ist, einsehen, daß

sie ihre Arbeit wieder aufnehmen und ihr Spinnernetz ausbessern müssen: Das erste ist dummerweise

weggewischt worden.


Sie werden nun finden, daß ich mich mittlerweile mit einer Bibel und einem Neuen Testament

ausgestattet habe. Ich muß an dieser Stelle auch sagen, daß ich selbige für wesentlich schlechtere

Bücher halte, als ich es mir davor vorgestellt hatte. Wenn ich mich im ersten Teil in irgendeinem

Punkt geirrt haben sollte, dann darin, über diese Bücher besser gesprochen zu haben als sie es

verdienen.


Ich stelle fest, daß sich alle meine Gegner mehr oder weniger darauf stützen, was sie die Beweise

der Schriften und Bibelautorität nennen, wenn sie Hilfe bei der Argumentation brauchen. Sie sind auf

ihrem Gebiet solche Stümper, daß sie einen Disput über Authentizität mit einem Disput über die Doktrin

verwechseln. Ich werde sie also korrigieren müssen, sodaß sie, sollten sie weiterhin schreiben wollen,

wenigstens wissen, wie man es macht.


Thomas Paine

Oktober 1795

 


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19•10