Mischa Lucyshyn: Thomas Paines "Das Zeitalter der Vernunft" (#77)

 

Kapitel III


Nun zum Neuen Testament (f)


Im Buch des Matthäus heißt es, die Juden hätten nach der Beisetzung Christi bei Pilatus beantragt,

er möge einen Aufpasser oder eine Wache bei der Grabstätte abstellen, um einen Leichenraub durch

die Jünger zu verhindern; und weiter, daß diesem Antrag statt gegeben worden und das Grab

sicher gemacht worden sei, mit einem Siegel am Stein, der den Eingang versperrte, und mit Wachen.


Freilich sagen die anderen drei Bücher nichts dergleichen - es gibt dort keinen Antrag, kein Siegel,

keine Wache, keine Aufpasser: Laut diesen dreien gab es also all das nicht. Matthäus setzt diesem

ersten über die Wache und den Aufpasser noch einen zweiten Teil hinzu, auf den ich in meinen

Schlussfolgerungen eingehen möchte, da dieser Abschnitt dann dazu dienen wird, die Falschheit

der Bücher zu beweisen.


Im Buch Matthäus setzt der Bericht damit fort (Kapitel 27, Vers 1), daß am Ende des Sabbath, im

Morgengrauen zum ersten Tag der Woche, Maria Magdalena und die andere Maria zum Grab kommen.

Markus behauptet, dies sei bei Sonnenaufgang geschehen, Johannes schreibt, es war noch finster.

Lukas berichtet von Maria Magdalena, Johanna und Maria, Mutter des Jakob, die zum Grab kommen.

Bei Johannes besucht Maria Magdalena das Grab alleine. Man sieht, wie sehr die Autoren schon beim

ersten Beweis übereinstimmen! Immerhin scheinen sie alle am meisten über die Maria Magdalena

zu wissen: Diese Frau hatte einen großen Bekanntenkreis - die Annahme, die Dame sei eine Metze

gewesen, ist wahrscheinlich keine schlechte Hypothese.


Weiter im Buch Matthäus (Vers 2): "Und siehe, es gab ein großes Erdbeben, denn ein Engel

des Herren stieg vom Himmel herab, rollte den Stein beiseite und setzte sich darauf."

Die anderen Bücher erwähnen kein Erdbeben und berichten auch von keinem Engel, der sich

auf einen Stein setzt. Bei Markus sitzt der Engel in der Grabkammer, auf der rechten Seite.

Bei Lukas sind es gar zwei Engel, und beide stehen. Auch bei Johannes gibt es zwei Engel,

aber sie sitzen beide, einer am Kopfende, der andere am Fußende der Bahre.


Matthäus berichtet, der auf dem Stein sitzende Engel hätte den beiden Marien erzählt, daß Jesus

auferstanden sei, woraufhin die beiden Frauen schnell davongegangen seien. Bei Markus wundern

sich die Frauen über den fortgerollten Stein und gehen in die Grabkammer, wo ihnen der rechts

sitzende Engel das selbe erzählt. Bei Lukas wiederum geben die beiden stehenden Engel die

Information weiter. Bei Johannes schließlich ist es Jesus selbst, der es Maria Magdalena erklärt,

wobei sie gar nicht in die Grabkammer hineingeht, sondern sich nur bückt, um hineinzulugen.


Angenommen, diese vier Herren Schriftsteller müßten vor Gericht erscheinen, um ein Alibi glaubhaft

zu machen (und dieser Fall fragt nach einem Alibi - immerhin fehlt eine Leiche und die Behauptung

übernatürlicher Kräfte steht im Raum), angenommen weiters, sie tischten dort ihre Geschichten in

derselben widersprüchlichen Manier auf, wie sie hier angeführt worden sind: Sie setzten sich der Gefahr

aus, daß ihnen wegen Meineids die Ohren abgeschnitten würden - und zurecht. Und genau diese Art

der Beweisführung und diese vier Bücher sind der ganzen Welt als das Resultat göttlicher Eingebung

und als das unveränderliche Wort Gottes aufgeschwatzt worden.

 

 


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8•11