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• Michael Roloff / Schliche #7

Dem Handke auf die Schliche:
Stempelung einer Briefmarke zu Lebzeiten
=VII=

G] Zunächst möchte ich die Frage nach Handkes möglichem Irrtum aus meiner Sicht, die auch manchmal durch Wut auf den Kerl verdunkelt sein mag, behandeln.

Es geht mir dabei um epistomelogisch-psychoanalytisches: Inwiefern ist Handke ein zurechnungsfähiger Berichterstatter. Das Propagandamaschinen es nicht sind, oder auf nur gröbste Art, es nicht sein können, ist ein "given". Desweiteren ist es wohl auch das Konsens, die die Lethargie der Geschichte, auch der kontemporären, auch in den Köpfen sogenannten Intellektuellen hinterlässt, wie diese einen Konsens erreichen wäre auch mal interessant zu untersuchen. Deswegen das Zurückgeworfensein auf die Erstattung des einzelnen, in diesem Fall eines ganz besonders talentierten, überempfindlichen Einzelnen, auch manchmal Propagandist, Breitmacher im Sonnenlicht, Frauenverhauer, parti pri für seine selbst eingestandene Voreingenommenheit für seine Idee eines vereinigten Jugoslawien, der am Schreibtisch vielleicht das tiefschürfendste Verständnis des Mediums Sprache, der Medias schlechthin, wie wir uns miteinander oder schlecht genug verständigen; am Schreibtisch wo er Zeit hat, seine Eindrücke, Überlegungen, sein Wissen, auszubrüten, schlecht oder gut zu überlegen, darzulegen, nur selbst dafür verant-wortlich, oder auch automatisch in Heften notiert. Und das heute eher emotional – wie er einst bewusst unterkühlt war.  

Nicht, dass er alles bemerkt, wie ich selbst herausgefunden habe, oder fehlinterpretationsfrei sei; nicht zu sprechen von dem was die Kleinianer "projective identification" nennen, wobei er, besonders in bös angelegten Momenten, wütend, ganz offensichtlich [anstatt etwa schleichend unbewusst] was er an sich selbst hasst aus sich heraus stösst und anderen anhängt: z. B. als er, wütend, während der Kosovo Kampagne den aufgrund seiner sexuellen Eskapaden schwer angeschlagenen Bill Clinton als "Schmutzfink" bezeichnete. "Selbst 'n Arschloch", wie man so auf dem Schulhof, ganz richtig, zurückschimpft.  
 
Außerdem, soll Handkes Wissen von dem was die Kleinianer die 'paranoid schizophrene Position' nennen in diesen Überlegungen nicht ausgelassen werden. Um 1970 herum hatte er sich ein Jahr für den "Tormann" vorbereitet. Mit einem Studium inwiefern diese Bewandtnisse des menschlichen kognitiven Apparats, eines ganz früh in den ersten Jahren von Charles Darwin zum Überleben angelegtes [!], sich sprachliches äußern. Daher die Fehlinterpretation des Josef Bloch; eine Reihe von Fehlleistungen, die dann eine Reihe von sprachlichen Fehlinterpretationen als Konsequenzen haben, oder umgekehrt, das ist der Witz der Sache: von der Annahme befeuert zu werden und impulsives Umkehren bis auf was immer ihm durch den Kopf geht [dem Leser als Spekulation]. Als das leichte Mädchen ihn fragt ob "er heute vorhabe, an die Arbeit zu gehen", und er sie sofort erdrosselt nachdem die Wassertropfen auf der heißen Platte wie Ameisen aussehen: Rage! Enrage! 

Bis zu dem Moment, als er hinter seinem Tor Nachfolger, seinem disassoziierten Teil Objekt, also eine verdoppelte Disassoziiation beim Schreiben dieser Passage, und vielleicht überhaupt, einem ehemaligen Selbst, hinter dem Tor steht und unerwarteterweise der Ball direkt auf ihn zukommt, als er, das Kaninchen, vor Angst sich nicht bewegen kann, und man sich vorstellt wie der Polizist die Hand auf Blochs Schulter legt und ihn arretiert in dem selben Moment als Bloch - wieder? Déjà-vu? - unerwarteterweise den Ball in die Mitte des Tors, in seinen Bauch geschossen bekommt. Bloch, der dann im Zuchthaus landet, um (witzig!) als einer der drei Proleten in "Über die Dörfer" wieder aufzutauchen. 

Eine schöne, eine der schönsten Geschichten über die Sprache und die Tricks, die unser Geist mit uns spielt. Aber keine wissenschaftliche Abhandlung, sprachlich philosophisch in der Nachfolge Wittgensteins, nur sorgfältig abgedichtet mit Wissenserkenntnissen, den Leser in einen Zweifel über die Sprache versetzend. Das man als Schriftsteller so etwas kann, so viel Macht über die Sprache besitzt, macht einen schon heiss, so ein Einfall; und es gehört die hardwon maturity der "Niemandsbucht" zu der Selbst-Erkenntnis, wie viel der Grandiosität man benötigt, sich auf diese Wagnisse einzulassen. Außerdem entspricht der "Tormann", dem "Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt"-Prinzip: das Ganze ist Ausweis eines subjektiven Geisteszustands des Autors, der sich auf diese Weise einigermassen was wir so 'objektiv' nennen objektiviert und eine Leseleinwand liefert, auf die wir projizieren, die unser Unterbewusstes anspricht, aufsaugt, befriedigt, stört, was immer. Handke ist ja Didaktiker der Sprache. "Der Hausierer" war/ ist  aber noch anspruchsvoller; zu anspruchsvoll scheinbar.  
 
Die Skepsis muss sich aber auch eigene skeptische Grenzen setzen: da die so-genannte Wirklichkeit über die die Menschenaffenschar dann zu einem Konsens kommt -  eine Wirklichkeit die auf sehr komplexe Weise schon in der Gebärmutter aufgebaut wird - diese sogenannte universal Gesamtwirklichkeit muss ja weit genug erkennbar, automatisch gewusst sein, intuitiv und sonst so, dass das Lebewesen nach viel Schulung und Trial und Error es lernt sie mit ihr und in ihr, hauptsächlich automatisch, zu leben und überleben.   

Also, wie immer, die Sache, irgendwie lauft sie ja, wir wissen aber nicht vollkommen warum und wie. Ausser in Fällen wie die des ver-rückten Kaspar, oder des Josef Bloch, oder dessen Fehlurteile auf sprachliche Fehler, auf die sich Wittgensteinsche Sprachprobleme reduzieren lassen. Also, es sollte auf Herrn Handke, der von diese möglichen Verirrungen weiss, und sie sogar spielend herstellen kann, seiner eigenen Skepsis wegen [außer, dass diese ihm mit seinem jetzigen Glauben an die Dreieinigheit abhanden gekommen sind?] ein gewisser Verlass sein; ein tausendmal grösserer Verlass als von den Schablonenschreibern, Nachtippern, Gerüchteschiebern - in dieser sich mehr selbsreprodizierenden als surrealen Medienwelt.  
 
Auch noch, zum "Tormann" und "Der Hausierer", sowie "Die Hornissen": Als reiner, sauberer phänomenologisch-empfindender Berichterstatter dessen was seine im Gehirn verarbeiteten Sinneseindrücke dann sprachlich ablegen, was ihm so im täglichen Epos, auch seines Innenlebens, auffällt, und in der Dialektik der Innen-Aussen-Welt, hat er wenige Ebenbürtige, besonders in ihrer wörtlichen Ablegung, da er zu Wörtern genau so empfindlich ist. Inzwischen zum Wortklauber "mot just"- Mann geworden, der sich nicht mehr an der Sprache ekelt. Das rein phänomenologische, einigermassen vorurteilsfreie [nur durch Blickwinkel, unbewusstes Skotomisieren, Fehleinschaetzungen beeinträchtigt, NUR!]  
Berichten hat seit Thukydides' Zeiten ihre lakonischen Wahrheitszeichen hinterlassen. Auf's rein phänomenologische, so auch Adorno, besonders auf Dauer, auf sich immerwiederholende Muster, scheint ein gewisser Verlass möglich, auch für Romanciers. Ob Leser davon überzeugt werden, steht auf einem anderen Blatt.

 
Mit der Ebene der Phänomenologie trifft Handke (scheinbar) auf den gewöhnlichen, Zeitungsschreiber. Es scheiden sich die Wege dann, wenn der angeheuerte Reporter seine Eindrücke in Schablonen unterbringen muss, also ziemlich viel - wie ja auch in Gerichtsreportagen - ausgelassen werden muss; [Focus] vielleicht das Ausschlaggebende, was da an der Seite lag; wobei die Sprache sowie die Kürze des Berichts, und die ganze Art und Weise was da der Berichterstatter schon selbst heraus lektoriert [mit Ausnahme einiger wenigen Schriftsteller, die berühmt genug, oder ausreichend Phantasie haben], so dass deren Berichte eher als Sperrgeräte fungieren, und die resultierende Projektionsfläche auf dem Zeitungspapier oder wo immer, Bildschirmen jeweiliger Art [computer screen sind in diesem Fall besonders heikel, da das Träumen an ihnen viel unterbewusste Wünschen und Fantasien unbemerkt mit erzeugt] auf der Art wie die Konsumenten von Nachrichten es gewohnt sind, auch von den bildlichen Medien, ihre Neuigkeits-"The Same old Same Old"-Telegramme geliefert zu bekommen, auf die sie auf voraussehbare Art reagieren, oder eben dann schnell kaum noch nach geraumer Zeit, besonders auf alles was sexueller und gewalttätiger Natur ist.  

Urwaldaffe bleibt eben Urwaldaffe: nimm den Affen aus dem Wald... Er hat Angst, Hunger, will sich fortpflanzen, hat Neid auf des Anderen Lust - und aus solcher Sicht kann man dann ein Stalin, ein Despot, werden.  
  
Handke könnte also für die Leser als ein vertrauenswürdigerer Berichterstatter fungieren, ein zweites, besseres Sensorium; Artikulationsagent besonders verlässlich, wenn er von dem Berichte erstattet von dem was er am besten kennt: seinem Selbst, seine eigenen Geisteszustände. Und der tut das seit beinahe 50 Jahren - jetzt auf sprachliche sich langsam verwandelnder Weise. Seine lakonische, trockene, eher amerikanische Art, sein so besonderen empfindlichen aus anderen Augenwinkeln mit schärferen Katzenaugen Beobachten bringt ihn in Nachbarschaft mit dem Besten der einigermassen neutralen Berichterstatter, bis zurück zu Thukydides; sein Stolz diese Arbeit gut zu leisten; trotz all der angedeuteten Skepsis, insofern sein parti pris seine kognitiven Kapazitäten nicht beeinträchtigen, insofern er nicht relativiert, nicht ver-rückt gemacht wird wie einige seiner Figuren [also eine dichterisch shakespeareartig großes Wissen – im "Einbaum" - von dem was einen wahnsinnig machen könnte!]  
 
Über den "Einbaum" - seine differenzierteste Darstellung des Zerfalls Jugoslawiens. "Die Fahrt im Einbaum oder das Spiel zum Film über den Krieg" - einem brechtartigen Modell in der rationalen Theatertradition (Brecht, Weiss, Grass, Kipphardt, Hochhuth, etc.) 

Aber wie und auf welche Weise differenziert er da  - das wird uns selten gesagt, wahrscheinlich weil diese Rezensenten sich lieber gar nicht auf diese Kopfarbeit einlassen, sondern den Handke einfach als Phantasten abstempeln möchten, so wie der Kilb anhand eines jugoslawischen Films  am 3. Juli 2006 in der FAZ; der Kilb, der schon jahrelang Handkes Sachen nicht ausstehen kann oder einfach nicht versteht, so 15 wenn ich mich an ihn am U.C. Riverside Symposium erinnere, parti pris im schlechten Sinn.  

Differenziert nicht in dem Sinn, das alle die verschiedenen Blickpunkte, die in diesem Laborstück auftauchen, gleichwertig in einem Gerichtssaal gewertet würden, aber so dass man eine ruhige Übersicht der Verhältnisse - so dreidimensional, bisschen wie in einem Labor, bekommt/mehr/ besser. Es ist ja ein ziemlich ausgeruhtes Stück, obwohl Handke bei der Aufführung, zur Zeit des Kosovo-Kriegs, des Opportunismus beschuldigt wurde von Leuten die sich nicht vorstellen können, dass da drei Jahre Arbeit, Denken und Fantasieren stecken.  

Oder der eitle Professor Reinhold Grimm, glücklicherweise inzwischen emeritiert, der gar nicht bemerkt hat, dass dies ein Stück über einen imaginären Film, sich der Effizienz des Screenplays bedient. Also, ein Abfallen in eine Dark-Age Verdummung zu eigenen Lebzeiten.

Es ist also ein gewisser, großer, allerdings unmöglich vollkommener Verlass auf ihn -   wenn man sein Werk kennt, es wirklich einmal abgeklopft hat, verfolgt hat vom Anfang bis zur aktuellen Gegenwart, so wie ich mir die Zeit und den schönen Spass dazu so fast zehn Jahre lang gemacht hatte, als ich um die Mitte der 90er herum, so am Anfang des Handkeschen Jugoslawien Schlamassels, aus Mexiko und dem 17en Jahrhundert wieder in dem damaligen 20ten aufzutauchen und mich zu reorientieren suchte [das leicht desorientiert zu werden mein Problem, weswegen ich es gelernt dann überzukompensieren, was mich oft in eine Lage des viel zu gut orientierten bringt, der dadurch dann wieder... und so weiter].   
 
Das "Dichter", [die, verbal, verschiedenes in neue geistlichen Klumpen vereinen] Verschönerer, schön Lügner sein können, - on the other hand - spricht eher gegen ihn als vertrauenswürdigen. Dass er trotz aller Ehrenhaftigkeit  manchmal mystifiziert und lügt - sofort lügt, wie er sagt, wenn er erwischt wird, wie ich ihn nach zehn Jahren wissen ließ - und durchs Auslassen lügt - und bei Handke ist sehr viel des Prosawerkes verschiedenartig autobiographisch  - "Hornissen", "Hausierer", "Tormann", "Kurzer Brief", "Wunschloses Unglück", "Die Stunde der wahren Empfindung", "Langsame Heimkehr", "St. Victoire", "Kindergeschichte", "Über die Dörfer", "Chinese des Schmerzes", "Nachmittag eines Schriftstellers", alle drei Versuche, besonders den "über die Müdigkeit", "Niemandsbucht", "Lucie", "Dunkle Nacht", "Bildverlust" - auch einiges in den "Unvernünftigen", und den anderen Stücken - macht es fraglich, ob ausser persönliche, subjektive Aussagen ein Anspruch auf ein mehr als persönliches, grösseres Urteil abgeleitet werden kann. 

Außer, dass er sich im Vergleich zu - sagen wir zu einem Vollidioten, einem in der Zwischenzeit miserabelsten Schriftsteller überhaupt – Salman Rushdie, der ihn bei der ersten Handke-Kampagne einen Idioten nannte, dass Handke sich ganz gut, vielleicht zu gut, in dem Landstrich Dalmatien auskennt.

Dem wäre noch eine Bemerkung aus der "Winterlichen Reise" hinzuzufügen, als die endlich Hochzeit reisende zweite Ehefrau ihn fragt, ob er eigentlich alles verneinen möchte! Ja, sich selbst eingestehen zu können, dass man tendenziös sein kann -    das ist schon irgendwie groß, jedenfalls viel großer als all die angereisten ausländischen Reporter, die Handke ja besonders hasst. Aber wie steht's mit dem absoluten Skotomisieren? Z. B. jeden Abend geht die Ehefrau aus und der Ehemann bemerkt aber nicht, dass das Pessar nicht in seinem Behälter steckt?


Aber es sind alles schöne Bücher, besonders " Abschied des Träumers vom Neunten Land" - von den vier, fünf seiner Schriften, die über Jugoslawien handeln, und schon am rechtesten, wenn er sich auf das eigene Beobachtungstalent verlässt.  Aber er tat/ tut da ja mehr: er schimpft über die anderen Medien, als einer der letzten Anhänger von Partisan Belgrad ist er parti pris für seine Idee eines Jugoslawien, z. B. wie ich mich dabei erwische, auf der Hut sein muss, die gegenwärtige politische Lage in den Fünfzig Staaten der Idioten nicht zu sehr aus der eines Widerständlers zum Dritten Reich zu beurteilen. Und er schimpft auch auf die besseren Berichterstatter der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche, er der doch zwei Stunden am Tag mit Zeitunglesen verbringt.   
 
Auch das projizieren der, seiner, Handkes Innenwelt in die Außenwelt hinein, das Darstellen von Projektionsflächen in die verspiegelte Welt macht ihn zwar zu einem grossen nicht nur Berichterstatter innerer Zustände und gewaltiger Besetzer der Geisteszustände seiner Leser, die dabei, wenn nichts anderes, das wirkliche Lesen lernen. Und sie lernen, wenn sie wollen, ihre eigene Innenwelt besser kennen. Aber als Berichterstatter von einem schnell wechselnden Schlachtfeld eher etwas Zweifelhaftes, einer unter anderen, der aber nicht liefert was gewöhnlich angefordert wird. Das Beschreibende in diesen Jugoslawien-Büchern ist deswegen wohl oft des Stifterischen Idyllenhaften beschuldigt: die, die das schreiben, sagen, fordern von Handke, oder wem sonst noch, dass er ihr Bild, ihre Erkenntnis, mit der sie in den Landstrichen ankommen, oder in den aller moisten Faellen nie gewesen sind, übernehmen - und in einer schlecht journalistischen Welt leben zu wollen.

Als Dichter hat Handke ein Konzentrationsvermögen auf lange Dauer, das zweitbeste mir bekannte in der deutschen Nachkriegsliteratur - aber bei den "Jahrestagen" war's mit Uwe Johnsons Konzentrationsvermögen - ein Buch in seinem Kopf ein Jahr lang vorzubereiten und es dann nieder zuschreiben – aus. Sprachlich sehr komplexe Bücher, schon vorbei, aus. Handke stützt sich auf Notizbücher, auf Photos, ob so sehr wie Hermann Lenz, weiss ich nicht. Als Fabulierer, z. B. "Lucie im Wald mit den Dingsda", auch das märchenhafte in der "Niemandsbucht", kommt er mir unbeholfen vor; teilweise mit Ideen, an den Haaren herbeigezogen, beispielsweise  von Enzensbergers Bürgerkriegsanalyse oktroyiert, eines Kampf Deutschen gegen Deutsche in der "Niemandsbucht". Er entpuppt sich als einer der genauesten Realisten überhaupt in "Der Bildverlust" in der [für mich vorauszusehenden] Beschreibung der Nachwirkungen, Überbleibsel des berühmten Orkans der Nordfrankreich vor ca. 10 Jahren verwüstete; auch den Chaville Foret. [Ich liess ihm, zum Wiederaufbau, einen Schuhkarton voll mit Nordwestzapfen, auch vom verrückten Affenbaum schicken]. Das hat's an sich, was sein Spürsinn so in dem Wurzelwerk eines gefällten Baum sieht. Als Liebhaber ist er närrisch wie ein jeder, der sein Maultier mit Nofretete verwechselt.

Worum geht es? Dass Handke eine andere Interpretation hat? Dass er [teilweise] auf anderes auf seinen Reisen aufgepasst hat [schielt zur Seite], als die ausgerichteten westlichen Reporter, als sie dann sich dann auf einen Ausrichtungskonsens abstimmten; dass er relativiert in dem er, als Interpret, also nicht als reiner Berichterstatter, ein eigenes historisches Verständnis, Interpretation von Zugängen vorlegt; dass er Herrn Milosevic zu freundlich nahe gestanden habe? 

Ja, und dass er, wenn er seinem parti pris (in seiner Einseitigkeit) auf die kindische verwundetste Art mit Wutausbrüchen und Ausfälligkeiten großartigster Garnitur ["stopft euch eure Leichen.."] loslässt, Luft macht, was ihn selbst, den Herrn Tourette, ja scheinbar auch verwundert, die er dann zurückzieht, oder sich brav entschuldigt.

Wenn man beispielsweise "Neuntes Land" oder die Überlegungen am Anfang der "Winterlichen Reise" liest, kann man ja durchaus sagen: "Ich stimme mit Handke nicht überein. Slowenien ist damit nicht verloren," "es gab keine Serbenhetze in der Presse" - aber man kann ihm kaum entgegenhalten, dass er seinen Standpunkt, seine Motive, seine Lieben und der Liebe ihr Gegenteil nicht ehrlich und auf ausreichende Weise erklärt, er macht dem Leser seinen Standpunkt ganz offen deutlich - und seine Gründe, wie er zu diesen Standpunkten und Entscheidungen gekommen ist.   

Das, was eigentlich nicht mehr ist als Meinungsverschiedenheiten, zwar ziemlich fundamentaler Art, zu einem (drei) grossen Streitigkeiten führen würde - wer hätte das gedacht ["What was that about?" wird man in einigen Jahren fragen.]


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