29. August 2004

Ein Haufen Schmutzwäsche von der Reise, ein krankes Kind im Bett, das ist alles irgendwie recht heimelig. Während Gabriel sein Fieber kühlt und Marc mit ihm eine Fluggeräteproduktion aufbaut, setze ich den ersten Abschnitt der "Türme von Zemun" ins Netz.

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Beograd (2)

Am Tag der Abfahrt erfuhr ich in einem kleinen Café aus der Zeitung, unser Finanzminister habe den Verkauf der "Telekom Austria" in den Sand gesetzt. Und damit auf dem Aktienmarkt 1,2 Milliarden Euro versenkt. In einem Kurssturz, der nur ein paar Stunden gedauert hat. Wer braucht da noch Feinde?

Ich setzte mich in eine Zugsgarnitur der ebenfalls ins Gerede gekommenen Bundesbahnen Österreichs. Wohl geordnete Widersprüchlichhkeiten. Daran dachte ich, während das Propaganda-Geschwätz aus den Funktionärs-Etagen mir noch um die Sinne nebelte. War uns Goebbels nun ein gutes oder schlechtes Beispiel? Ja, das ist eine sehr doppelsinnige Frage.

Ich hatte drei Landesgrenzen vor mir. Ein "Bremsanstand" ließ uns irgendwo auf der Strecke stehen. Da war ich grade noch in Österreich. Ach, laßt uns doch nicht darüber spekulieren, wo der Balkan beginnt. Haben wir wenigstens minimale Übereinkunft, was mit "Balkan" gemeint sein könnte? Die Praxis sagt: "Balkan", das meint immer "Die Anderen". Außer jemand kommt aus dem tieferen Süden.

Mein Balkan-Mädchen weiß genau, daß "Balkan" NICHT "Die Anderen" sind. Mirjana. Was hat sie gelacht, als sie sich ausmalte, ich werde in einem der Standardbusse nach Serbien sitzen. Welche Späße sich ihre Leute mit dem "Schwabo" machen würden. Kenan, der Bosnier aus meiner Nachbarschaft, meinte: "Nimm nicht den Bus. Da stehst du ewig an der Grenze." Ich hatte ja keine Ahnung, was es noch für Varianten gibt.

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Serbien. Das amerikanische Embargo ist noch aufrecht. Isolation stärkt immer die Nationalisten. Und schwächt alle anderen. Aber wie sollen das die Nationalisten aus der Bush-Administration begreifen? Solche Leute begreifen immer nur sich selbst und das Fremde erscheint ihnen feindselig.

Leute, die alle Welt so machen wollen wie sich selber, sind genau das, was die alten griechen "Idiotes" nannten. Jemanden, der nur zuhause sitzen möchte und an der Welt nicht interessiert ist.

"Weiterreisende bitte nicht aussteigen. Zollsperre." Später, in Kroatien, sagte jemand aus dem Lautsprecher: "Zugbewohner". Was mir als sehr schöne Formulierung erschien.

Die Stille von Zidani Most, bis der erwartete Zug kommt. Die Tauben wissen, daß hier viele Reisende ihre Brote auspacken und ihnen davon gerne etwas abgeben, um sich die Zeit zu vertreiben.

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