30. August 2004

Tom Kada schrieb mir eben:
"Nach 4 langen Jahren des Schraubens und gar unflätigen Fluchens erblicke ich Licht am Ende des Tunnels. Mein allerliebster Sargnagel nimmt wieder Form an. Hier noch kurz ein paar Photos zur Dokumentation, und dann werde ich sein Näschen wieder zusammenbauen."

log180a.jpg (23067 Byte)

Was einen 380er Steyr Diesel meint. Eine der schönsten Maschinen, die ich kenne, die ihre Eleganz aus ihrer Funktion bezieht. Naja, ich weiß auch, welcher Respekt einflößende Job auf den Kerl nun wartet. Sehen sie selbst: LINK

Beograd (3)

Der Zug füllte sich, in den Coupés wurde es eng. Zur Männerrunde um mich gesellte sich auf den letzten freien Platz ein fröhliches Geschöpf, das andauernd etwas zu sagen hatte, Liedchen sang oder kleine Geräusche machte. Darin war eine verblüffende Ausdauer die Aufmerksamkeit aller zu binden. Mit einer Körperlichkeit, die Frauen bis Mitte 20 alles ermöglicht, um sie zehn Jahre später an den Rand eines Nervenzusammenbruchs und ins Fitness-Studio zu treiben.

Im ständigen Räkeln, sich Luft zufächeln, die Haare raffen und wieder fallen lassen, das Dekolletee auszubreiten und die Arme nach oben zu strecken entfaltete dieses Balkan-Mädchen eine massive Pheromon-Attacke, die im Coupé für allerhand Unruhe sorgte.

log180b.jpg (31914 Byte)

Und jedem Ausflug auf den Gang des Waggons, um eine Zigarette zu rauchen, ging ein solider Frisur- und Makeup-Check voraus, wonach sich die männliche Unruhe über unser Coupé hinaus verbreitete. Ich kann mich nicht erinnern, in einiger Vergangenheit je so eine intensive Performance erlebt zu haben, die, wie einige Telefonate zwischen den SMS-Dialogen ahnen ließen, auf ein Rendezvous hinführten. Von all dieser Geschäftigkeit blieb ein kleiner Straß Veilchen im Abteil zurück. Die man in Serbien, wie ich später erfuhr, Ljubice nennt.

Vor meiner Reise hatte mir der Zufall ein Buch von Jan Philipp Reemtsma in die Hände gespielt. Er reflektiert darin die Erfahrungen einer Entführung, nach der er "Im Keller" festgehalten worden war. Mit erheblichen Zweifeln daran, diese Zeit zu überleben. Er nennt diese Arbeit über seine Überwältigung, die bei ihm "Übermächtigung" heißt, "Anekdoten aus dem Nirgendwo." Weil er weiß, daß man nicht hüten muß, was kein Geheimnis ist, denn all jene, die Überwältigung nicht kennen, haben keine Vorstellung, wovon im Kern die Rede ist.

Was auf eine Art bedeutet, man kann dieses Stigma ruhig offen tragen, da andere es nicht zu lesen vermögen. In solche Lektüre vertieft fuhr ich nun durch Kroatien und Serbien, wo all das noch so frisch sein mußte. Überwältigung und die Folgen ...

[Übersicht]


[kontakt] [reset]

36•03