9. September 2004

Tom Kada schrieb mir:
"Zu Deiner Geschichte im Logbuch über die Grabsteine, wahlweise mit Kreuz oder Stern, fällt mir ein alter Soldatenfriedhof bei uns in der Gegend ein. Er hat irgendwie etwas Wehmütiges, gut das haben die meisten Friedhöfe, aber der besonders. Der Friedhof liegt in einem Waldstück in Lang, durch keine asphaltierte Straße erschlossen, und auch sonst irgendwie weit weg von der restlichen Welt. An der Südseite haben sich die Schottergruben bereits bis auf wenige Meter an den Friedhof heran genagt. Er lebt sozusagen am Abgrund. Im Ersten Weltkrieg wurden hier die Toten aus dem Lazarett in Lebring begraben, ein, wenn man so sagen kann, bunt zusammengewürfelter Haufen vieler Nationalitäten und Konfessionen aus den einstigen Kronländern. Vorallem Österreicher und Bosniaken haben hier ihre Ruhe gefunden, aber auch russische, serbische und italienische Kriegsgefangene. Auch hier findet man direkt neben einfachen Holzkreuzen fremdartig anmutende Symbole und Schriften. ..."

log188c.jpg (18578 Byte)

Musolf hat mir nun eine erste Fassung jener Skulptur geschickt, die nach meinen Vorstellungen auf Wanderschaft vor allem durch die zentralen Stuben HINTER den öffentlichen Räumen gehen soll. Um auf den Schreibtischen politischer Exponentinnen und Exponenten temporär eine "exterritoriale Zone" von "The Junction" einzuziehen.

log188a.jpg (16594 Byte)

Musolf meint:
"Nun sag mal, was Du von der Plastik als "Wanderplastik" hältst? - So klein würde ich die nicht machen, Deine ist ca. 8cm hoch. Das Original könnte etwa 10 - 12 cm hoch sein und dann in eine Box, wie ich Dir schon mal eine Skizze geschickt habe, eingebaut werden."

Das "Schnittmuster" habe ich am 2.9.2004 bereits gezeigt. Und mit dem nächsten Update werde ich auch "Artefakte" zeigen, die ich schon erhalten, aber noch nicht auf die Strecke getragen hab.

The Junction

Cut!

Beograd (9)

An den Mülltonnen sah ich manchmal Menschen, denen die Bitterkeit sehr harte Konturen ins Gesicht geschnitten hat. Der feine Staub kommt auch in die Höhe. Legt sich auf dem Balkon ab. Einmal sah ich ein kleines Kind von einem gegenüber liegenden Balkon heftig winken. Und wußte nicht, ob ich mich gemeint fühlen sollte. Die Klimaanlagen markieren die Gehsteige mit Kondenswasser-Lacken quer durch die Stadt. Zemun war ursprünglich ein eigener Ort und ist eingemeindet worden. Was meint denn eigentlich "postkommunistisch"? Wir sind andauernd post-irgendwas. Es ist doch sehr wenig aufschlußreich, wenn man seine Identität an dem deutlich machen möchte, was man einmal war, was man nicht mehr ist.

log188b.jpg (18932 Byte)

Auf der anderen Seite tauchen die merkwürdigen Gefolgsleute einer "Geister-Nostalgie" auf. Bei mir zuhause. Da gibt es ein wachsendes Faible für Ikonen und Versatzstücke jenes Kommunismus, den wir gar nicht erlebt haben. Obwohl oder gerade weil es in meiner Kindheit ganz üblich war, das Slawische notorisch abzuwerten. Die Sprache habe einen häßlichen Klang, die Kultur sei vernachlässigbar, die Politik ohnehin verwerflich ... und es bleibt ganz erstaunlich, daß zwar unsere Leute, Österreicher und Deutsche, als Gesandte der Nazi-Barbaren auf dem Balkan furchtbar gewütet haben, daß aber bis heute bei uns Assoziationen der Slawen als Partisanen als "Feinde des Abendlandes" gepflegt werden.

Ganz aussichtslos, daß gelegentlich ein Slawe daran erinnern mag, wer denn hauptsächlich an den brisanten Schnittstellen das Abendland gegen die Osmanen abgegrenzt hat. Obwohl das "Prinz Eugen-Lied" noch daran erinnert, daß die "Festung Belgerad" genau diese Demarkationslinie kenntlich gemacht hat. Und so begabt der Savoyer als Feldherr gewesen sein mag, das Heer der Habsburger war notorisch schlecht ausgerüstet, in veraltetem Zustand; woran sich eigentlich bis zum Ersten Weltkrieg nichts geändert hat. Die Habsburger verstanden sich eben besser aufs Heiraten.

Und ich höre, daß sei im Selbstbewußtsein Serbiens noch heute ein gewichtiger Punkt. Die nationalistisch aufgeladene Erinnerung an die Schlacht auf dem Kosovo Polje, wo man von den Osmanen vernichtend geschlagen worden war, wird als eine frühe "Verteidigung des Abendlandes" verstanden.

[Übersicht]


[kontakt] [reset]

37•03