2. Oktober 2004

Was für ein Getue! Der Generaldirektor der ältesten Firma der Welt verbraucht für ein bescheidenes Personalproblem Ressourcen, da könnte man ein ganzes Dorf durch ein Jahr bringen. Der Bischof von Rom möchte den Filialleiter von St. Pölten abgelöst sehen. Hätte Bill Gates das zu erledigen, es gäbe, wenn überhaupt, in den besseren Blättern eine Notiz im Wirtschaftsteil und die Sache wäre gespitzt.

Aber hier wird ein großes Maß an Arbeits- und Sendezeit, an Platz in den Gazetten verbraten, um zu erörtern, was es werden wird. Vielleicht dient es ja aufklärerischen Zwecken.

Der Generaldirektor, so hieß es, ließ bitten, der Filialleiter möge resignieren. Ließ bitten. Naja, Jungs, die in solchen Klamotten herum rennen, verkaufen uns eben auch solche Inszenierungen.

Was für ein launiger Zufall (der Inszenierung), daß eben dieser Filialleiter auch Vorsitzender jener Gebetsgemeinschaft ist, die "unserem Kaiser Karl" zu einem posthumen Karrieresprung verholfen hat, der morgen amtlich wird. Was ahnen läßt, daß grimmig konservative Katholiken, die ihre soziale Distzanz unter anderem durch das Tragen kurioser Klamotten ausdrücken, mit einem Anteil "alter Macht" verbunden sind, über deren Ausmaße ein republikanischer Rotzlöffel wie ich vermutlich gar keine realistische Vorstellung hat.

Cut!

Beograd (14)

"Der Wein floß so dunkeln und breit wie die Donau, wenige Schritte neben uns ..."

... habe ich über den Abend im "Reka" geschrieben. Inzwischen gibt es Post von Rade, der meine Sprache nichts spricht, der zum gleichen Bild gekommen ist.

"Ich küsse euch über diesen Gewässern und grüße euch aus ganzem Herzen! Ich versuche zu erwachen von allem was ich erlebt habe, um zu sehen wie das aus dieser Distanz ausschaut. Jetzt verstehe ich, daß das alles eigentlich in mir lebt und da ist, ist genau so wie ich atme und trinke und da bin; ...

Und ich sehe wie sich unsere Träume mit der Realität vermischen und halten, um noch stärker zu sein, weil sie aus unseren Wünschen und Hoffnungen gebaut sind, die durch unsere Leben fließen, wie die Donau in dieser Nacht neben uns geflossen ist. ..."

Kurz darauf habe ich gesehen, was von Nicola Tesla in Beograd erhalten geblieben ist. In einem kleinen Museum ist einiges aus dem Leben dieses charismatischen Technikers verwahrt. Die Elektrifizierung der Welt gründet sehr wesentlich auf seinen Arbeiten. (Es erscheint mir bemerkenswert, daß er den "Candide" in seiner Bibliothek bewahrte.)

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Wer im Gästebuch dieses Museums den Sommer 2004 nachschlägt, wird eine höchst irritierende Eintragung finden. Da schrieb jemand, der sich explizit als Österreicher vorstellt:

"Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut."

Was der Idee nahekommt, ein Besucher würde sich im Kondolenzbuch für John F. Kennedy mit der Lieblingsphrase von Lee Harvey Oswald eintragen. Denn der Österreicher hat hier Nicola Tesla seine Referenz mit einem wohlbekannten Ausspruch des Kaisers Franz Josef erwiesen.

Dessen Generalstabschef Conrad von Hötzendorf hatte über Jahre eine Präventivkrieg gegen Serbien gefordert hatte, um Habsburgs Position auf dem Balkan zu stärken. Im August 1914, also recht genau 90 Jahre vor meinem Besuch in Beograd, ließ Franz Josef nicht nur gegen Serbien marschieren, sondern setzte an der Seite des Hohenzollern die Welt in Brand.

Es ist demnach eine ganz erstaunliche Geste österreichischer Gemütsmenschen, sich auf diese Art freundlich zu erweisen.

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