16. Dezember 2005

log586a.jpg (36122 Byte)

Keine Quelle ist unschuldig. Meint der Historiker Jacques Le Goff. Die Dinge haben uns immer was zu erzählen. Oder aber: unser Deutungsbedürfnis flüstert uns dauernd Geschichten zu. Das hängt mit meiner Faszination für "tote Handschuhe" zusammen. Tina Salhi von den "Frauen in Schwarz" hat das Motiv aufgegriffen. Und mir diese schöne Version vom Wiener Zentralfriedhof geschickt.

Cut!

Das neue "Podium" ist da, die Crew ist eben auch mit einer neuen Website online gegangen. Für diese Ausgabe war die Wiener Autorin Barbara Neuwirth verantwortlich.

log586b.jpg (15025 Byte) Cut!

Ich hab gestern über die Annahmen eines "Habsburgerwahns" aus der Feder eines österreichischen Brigadiers gestaunt und gerätselt.

Gestaunt was damit gemeint sein könnte und   gerätselt, warum dagegen die teils deutlich pathologischen Nazi in der Kolumne ausgespart blieben.

Ich hab geschrieben, die Habsburger seien darangegangen, den Balkan zu kolonisieren. Das ist keineswegs bloß so dahergeredet. Von der Historikerin Ursula Prutsch (und anderen) gibt es eine Arbeit, die das behandelt: "Habsburg postcolonial". Wie angedeutet, keine "Wahnideen", einfach ein Ringen um Vorteile auf Kosten unserer Nachbarn.

Prutsch schrieb etwa:
"Auch hier spielen Diskurse Innerer Kolonisierung und die Definition von Kultur- und Zivilisationsgrenzen zwischen 'Westen' und 'Balkan' eine Rolle. Dass die Politik der Inneren Kolonisierung, der Landnahme seit dem Frühmittelalter (Ostmark) und das binnenkolonisatorische zivilisatorische Missionswerk der k.u.k. Monarchie vor allem in Bosnien und der Herzegowina vom österreichischen Ständestaat wiederholt herangezogen wurden, um die Superiorität des 'österreichischen Menschen' als Vertreter des 'christlich-abendländischen Deutschtums' zu konstruieren, ...

Das sind Hintergründe dessen, was ich mir unter "Balkan-Reflex" vorstelle. Indem noch HEUTE behauptet wird, Serbien sei am Ersten Weltkrieg schuld gewesen. Während das sich zur "Binnen-Kolonialmacht" aufschwingende k.u.k. Österreich in der Sache für manche als Opfer dastehen soll. Siehe dazu den Leserbrief eines Adolf Weinberger an den besagten Brigadier: Eintrag vom 25. Juli 05.

Währenddessen tummelt sich ein anderer Teil der Operetten-Republik, um Arnold Schwarzenegger zu bestätigen, er habe nun mal den Gesetzen Kaliforniens folgen müssen, als er Tookie Williams NICHT begnadigen wollte, wonach der zu Tode gespritzt wurde.

log586c.jpg (22433 Byte)

(Quelle: "Kleine Zeitung")

Als Österreicher könnte man ja ein etwas gespanntes Verhältnis zum Totspritzen von Menschen haben. Hat er aber nicht. Der Brocken. Er mußte Gesetzen folgen?

Na gut, aber genau DAS heißt doch eben NICHT, daß Tookie Williams totgespritzt werden MUSSTE. Schwarzenegger hätte auch sagen können, daß er (ganz gemäß dort gültigem Recht) den Mann begnadigt und, wenns schon um "Sicherheit" gegangen wäre, seine lebenslange Verwahrung im Knast bevorzugt.

Wäre das GEGEN die Gesetze gewesen? Nein. Keineswegs. Aber der Terminator hat sich beim Pöbel und sonst wem angebiedert. Das halte ich für unerträglich, wenn jemand kraft seiner Position und geltender Gesetze die Möglichkeit HAT, aber verschenkt, eine Hinrichtung durch Begnadigung zu verhindern. Der Star aus dem Totschlag-Kino fällt damit aus dem Rahmen dessen, was uns die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" vorschlägt.

Was ist denn daran unklar? Man erinnere sich an das unsäglich "Komm zu Mama"-Cover, das uns diesen Helden erst unlängst vorgeführt hat: Eintrag vom 11. November. (Was mich an Sissy Spacek erinnert, die mir bei einem Interview anläßlich der Premiere des Filmes "Coalminers Daughter" einst erzählt hat, was die Essenz der Country-People sei: "Loving, cheating, picking Trucks and Mother.")

Apropos Film! Der in München lebende Grazer Filmemacher Jakob M. Erwa hat zur Sache einen Brief an den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl verfaßt, dem man noch Unterschriften anfügen kann:

Dies ist ein Apell an die Menschlichkeit, der am 22. Dezember 2005 mit den zahlreichen Unterschriften möglichst vieler engagierter Menschen an das Büro des Bürgermeisters der Stadt Graz Siegfried Nagl gehen wird.

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit.

Lesen Sie den Appell: [LINK]

[kontakt] [reset]

50•05