29. Dezember 2005

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Rest-Engel, dem Raffael aus der Sixtinischen Madonna geschnitten, sind noch in der Gegend. Und. Es rollt die zweite Welle. Nach den kombinierten Weihnachts- und Neujahrwünschen nun die geballten Neujahrswünsche. Massensendungsgeschäft. Ein letztes Echo aus der aktuellen Glückwunschmaschinerie.

Heute Morgen kam mir ein Ernst Gruber daher, der mir ein kommentarloses "Erkenne dich selbst" zum Frühstückskaffee servierte und mir eine Annahme über Immanuel zuwarf:
"Kants Verdienst war es zu zeigen, dass das, was ..."

Da habe ich nicht schlecht gestaunt. Weil ich doch mindestens aus meinen Begegnungen mit dem Lutschinger weiß, daß mit Kant nicht zu spaßen ist. Besagter Ernst (Ernst des Lebens?) rundet seine Botschaft so ab:

"Viele Künstler entfalten sich schöpferisch in ihrer Kunstrichtung ,doch wenige unter ihnen erkennen das das Leben selbst ein unbegrenzter schöpferischer Akt ist !"

Na, IST das ein Schätzchen? (Auf amerikanisch: "What a Babe!") Solche Schwätzer können mich zur Raserei bringen. Was allerdings schlecht zum Tagesbeginn und zu meinem Frühstückskaffee paßt. Also sag ich mir: Er hat es sicher nur gut gemeint.

Was ich für angemessene Neujahrsgrüße halte? Na, vor allem mal persönlich adressierte Post, die kenntlich NICHT Massensendung ist. Und wenn ein interessantes Automobil darin vorkommt, schadet es nichts. Zum Beispiel. Der polnische Fotograf Jacek Lidwin hat mich mit einem frühen Silver Cloud aus Portugal überrascht:

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Sowas paßt extrem gut zu meinem Morgenkaffee. Ich stürz mich dann ohnehin von selbst auf die eher unerfreulichen Aspekte, weil eben diese unerfreulichen Aspekte offenbar sowas wie einen "Krusche-Magneten" eingebaut haben. (Das möchte ich ja nicht unbedingt psychologisch gedeutet wissen.)

Ein Beispiel. Auf der Website des Gleisdorfer Bürgermeisters treibt sich ein notorisch anonym gehaltener Mensch um, der sich "ein politischer beobachter" nennt. Recht harter Debatten-Typ, der in seiner Maske die Keule schwingt. Ich werde einfach nicht schlüssig, ob das akzeptabel ist, ob das nötiger Teil einer demokratischen Öffentlichkeit sein muß, daß einer als Anonymus die Bühne bespielen mag.

Im Zweifelsfall denke ich lieber, das muß eine Demokratie aushalten. Aber dann kommt eben auch sowas:

"Zur Todesstrafe kann man stehen wie man will. Hier in Österreich ist sie zum Glück kein Thema mehr. / Schwarzenegger hat Ferk und Co. die richtige Antwort gegeben. / Frohe Weihnachten wünscht epb"

Freilich KANN man zur Todesstrafe stehen. Wie man will. Aber man sollte nicht. Wie man will. Bedauerlich. Diese Weihnachtswünsche blieben unerwidert. Dabei sollte, müßte entgegnet werden: Wir sind schon vor einigen Jahrzehnten zum Schluß gekommen, daß die Todestrafe völlig inakzeptabel und vollkommen unannehmbar ist. Wir? Naja, viele Völker. Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" von 1948 besagt u.a.:

"Artikel 3: Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person." / "Artikel 5: Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden."

Es gibt für diese Grundsätze keine Bedingungen. Sie gelten also auch für Täter. Gibt es gute Gründe, diese Konvention zu revidieren? Ich kenne keine solchen Gründe.

Graphic Novellist Jörg Vogeltanz schrieb in diesem Zusammenhang an steirische Politiker:

"demokratie bedeutet, sich mutig und klar gegen unmenschliche praktiken, wie etwa die todesstrafe (noch dazu bei indizienverurteilungen!) zu äußern... auch WENN - oder GERADE wenn - es sich dabei um die rechtssprechung eines befreundeten staates handelt, der ja auch gern mal unseren luftraum verletzt, wenns grad passt." [Das komplette Statement]

Theatermensch Hans Fraeulin merkte in einer Replik zu Vogeltanz an:

"Staatsverbrecher reden sich stets und gern damit heraus, nur die Gesetze angewendet zu haben, um nicht zuletzt die Einheit des Landes zu wahren. Wir dürfen gespannt sein, ob Saddam diesbezüglich unsere Erwartungen erfüllt, nachdem Milosevic und Pinochet nicht anders argumentieren.

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Wer im Fall Schwarzenegger zu bedenken gibt, der Mann wende nur die Gesetze seines Landes an, begibt sich demnach mit seinem Schützling auf gefährliches Terrain. Schwarzeneggers Land mag zwar eine der größten Volkswirtschaften der Welt sein, sanktioniert aber Mord, wenn auch nur den staatlich verordneten Mord. Mord ist Mord. Wie auch immer, fahre ich nicht gern in ein Land, in dem Mord straffrei möglich ist." [Das komplette Statement]

(Anmerkung zum Foto, welches Fraeulin da in Graz gemacht hat: Das ist ein Haus in der Schönaugasse, unmittelbar vor dem Verlagsgebäude des "Katholischen Pressvereins", wo die "Kleine Zeitung" zuhause ist. Hat also grimmigen Charme, daß die "Kronen Zeitung" sich dort ausgerechnet mit dem Liebling der christlich-sozialen Landespolitik platziert.)

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