11. Jänner 2006

Es scheint sich in Österreich gerade durchzusetzen, daß man heftig auf ZEICHEN reagiert, indem man ihnen gängige Konnotationen unterstellt. Ohne zu prüfen, ob das zutrifft und belegbar ist. Ohne zu klären, welche Intention jemand in ein Zeichen gepackt hat. Das macht sich am Motiv "Frauenschoß" ebenso fest wie an einem Hakenkreuz.

In der bisherigen (öffentlichen) Debatte über die Serie "euroPART" wird das so markant und unbarmherzig exekutiert, daß man vor allem einmal staunen muß. Um sich danach zu fragen: Worum geht es gerade?

Um eine "Werbekampagne für die EU"? Woher kommt bloß diese Annahme, nur weil Kunstschaffende die Infrastruktur der Werbeindustrie benutzen? Dies ist ... eine Ausstellung. Nicht in einer Galerie, sondern im öffentlichen Raum.

Wird sowas heute nur mehr als "WERBUNG" dechiffriert? Dann haben wir aber ein akutes kulturelles Problem.

Bisher waren vor allem die Arbeiten von Aires und Ostojic Anlaß für Attacken aus allen Lagen und Lagern. Und sie waren der Vorwand, rund 75 Boards, also fast das doppelte an künstlerischen Arbeiten, pauschal als "Dreck" abzuwerten.

Daß sich kaum wer die gesamte Ausstellung angesehen hat, schließe ich zum Beispiel aus dem Umstand, daß etwa die ebenfalls fordernden Arbeiten der Spanierin Ana Laura Alaez (und einige andere Werke) in den Debatten gar nicht vorkommen.

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Denn ihre zwei Frauenbildnisse sind nicht gerade moderat gestaltet. Oder die kritischen zwei Blätter von Petra Gerschner. Die wären ja ein interessanter Anlaß zu breiter Debatte. Bloß: DIESE Debatte wird nicht geführt ...

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Die gesamte Serie der Arbeiten ist bei "25 Peaces" nun wieder downloadbar. Im Bereich "Presse / Downloads" gibt es eine PDF-Datei: "europart_screen.pdf". (Unter "PEACE gerollt - euroPART - Gesamtansicht".) Kontext. Hm. Die "profil"-Kolumnistin Elfriede Hammerl kritisiert zum Beispiel:

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"Was den EU-Slip zwischen den gespreizten Frauenbeinen betrifft, so erscheint mir die Berufung auf Courbets Ursprung der Welt nicht nur wenig schlüssig (die Frage der Machtverhältnisse in Europas Staatenbund damit zu beantworten, dass der Mensch vom Weib geboren wird, wäre wohl ergreifend simpel), sondern auch insofern irreführend, als ohne den Hinweis auf Courbet nur die sattsam bekannte Beschwörung der weiblichen Verfügbarkeit übrig bleibt, die leider nicht schon kritisiert wird, indem man sie beschwört. Im Gegenteil: Eher wird der Mythos von der Frau als ausschließlichem Geschlechtswesen damit zementiert." [Quelle]

Was leider ignoriert, daß Fotografien in der Arbeit der Ostojic meist nur TEIL eines größeren Ganzen sind, in komplexen Prozessen, welche die Künstlerin herbeiführt. Es ist auch bei anderen Kommentaren und Kritiken auffallend, daß quasi das exponierte Zeichen aufgegriffen und kritisiert, nicht aber der Kontext geprüft und gar zur Kenntnis genommen wird.

Man könnte sehr simpel fragen: Ist die Ostojic eine Fotografin? Nein. Sie ist eine Konzeptkünstlerin und Performerin. Die von der Bildhauerei herkommt. Was das bedeutet? Auf jeden Fall, daß sie ausgeprägt mit Kontext arbeitet. Dabei, das sollte aus jedem Grundkurs eigentlich klar sein, sind etwa Bilder nicht bloß das, was sie abbilden.

Egal. Um all das geht es ja vorerst gar nicht. Ich hab eingangs erwähnt: Es scheint sich in Österreich gerade durchzusetzen, daß man heftig auf ZEICHEN reagiert, indem man übliche Konnotationen unterstellt. Ohne zu prüfen, welche Intention jemand in ein Zeichen gepackt hat. Einen geradezu drolligen Beleg dafür lieferte eben die vaterländische FPÖ (Quelle: "Der Standard"):

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Das bezieht sich offenbar auf eine Arbeit des Niederländers Marc Bijl. [LINK] Man möchte sagen: "Da zeigen nun die Richtigen auf." Und fragen: "Welche unmißverständliche und klare Stellungnahme braucht man dort nun?"

Denn die Verwendung von Swastika ist im "Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz 1947) in der Fassung der Verbotsgesetznovelle 1992: § 3 VG (Wiederbetätigung)" klar geregelt. [LINK]

Wer also die genannte künstlerische Arbeit in die Nähe von Wiederbetätigung rücken wollte, hat sich das Projekt nicht angesehen. Oder müßte sich noch schlimmere Befunde zustellen lassen.

Wo Zeichen und Symbole angewandt werden, sollte jemand, der in dieser Kultur aufgewachsen ist, eigentlich in der Lage sein, nach Kontext und Subtext zu fragen. Wo genau ist nun das Problem?

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Der "profil".Kolumnist Peter Michael Lingens schreibt zur Einleitung seines Textes recht offenherzig:

"Schon seit Jahren verfasste ich meine Texte gerne unter dem Titel 'Der Reaktionär'. Ich habe das auch profil-Herausgeber Christian Rainer vorgeschlagen, aber er meinte, ich sei in dieser Hinsicht nicht glaubwürdig genug."

Was vielleicht bedeuten soll: "Ich scheiß auf jede Kritik an meiner Kritik, ich bin sowieso von gestern." Aber! Was ist eigentlich ein Reaktionär? Hm. Schwer zu sagen. So viel dürfte feststehen, "Reaktionär" meint jemanden, der hinter die Aufklärung zurück möchte.

Gut. Dies ist eine Demokratie, man darf sich sowas natürlich wünschen. Man darf das auch, honoriert von einer Company, welche auf Presseförderung vermutlich nicht verzichtet, publizieren, verbreiten. Finde ich ganz okay. Bleiben wir in Diskussion ...

Aber darf ich denn erwarten, daß auch ein Reaktionär, der im Pressewesen reüssiert hat, sich als einigermaßen sachkundig erweist? Lingens legt darauf offenbar keinen Wert. So schreibt er dem Kunstsprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, die Annahme zu, der halte ...

"... die beiden Kuratoren nicht so sehr für provinzielle Dilettanten als vielmehr für zynische Kunst-Geschäftemacher: *Sie wollten ihr nebuloses ,25 Peaces‘-Projekt, mit dem sie ein Jahr lang genervt haben, ein letztes Mal in die Schlagzeilen bringen.* Mag sein, dass Zinggl Recht hat und dass Springer und Lorenz nicht fälschlich Schmarren für Kunst hielten, sondern dass sie genau wussten, dass sie Schmarren vermarkten und dabei eben so professionell wie möglich vorgegangen sind. ... Und im Übrigen sollte man für möglich halten, dass sie sowohl nichts verstehen als auch zynische Vermarkter sind." [Quelle]

Hier geht es also längst drunter und drüber. Denn Springer und Lorenz sind die Veranstalter und Intendanten, nicht die Kuratoren, die heißen Walter Seidl & Ursula Maria Probst, aber das ist vielleicht eh alles völlig wurscht, wer was macht oder nicht macht, welche Kategorien man womit mixt oder verwechselt. Hauptsache man hat sein Tänzchen mit dem Opponenten, den man sich gerade vorknöpfen möchte.

Dann kann man gleich alles behaupten, muß nichts belegen und -- Ah! Wie wär's mit Faustrecht?

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