19. Mai 2006

Vorangestellt: mein Herzensweib ist Dipl. Ing. der Elektrotechnik und in der Motorenentwicklung tätig. Weshalb ich gelegentlich erfahre, welche Schrullen man im verdichteten Aufkommen von Technikern erleben kann. Was ich für erfrischend halte, denn die Schrullen, die man im verdichteten Aufkommen von Kulturschaffenden erleben kann, hängen mir ja schon ein wenig heraus.

So hörte ich die knappe Schilderung des Auftretens einer stolzen Mama, die ihren Sohn als "exzellenten Ingenieur" promotet hat. Worauf ich in schnippischem Tonfall zu hören bekam: "Was ist exzellent? Tesla. Sonst niemand."

Was den herausragenden Nikola Tesla meint, der 1856, also genau 100 Jahre vor mir geboren wurde. Ein Elektroingenieur, der den Wechselstrom praktisch nutzbar gemacht hat. Seine Urne habe ich in Beograd gesehen. Man hätte sie für einen von Teslars Apparaten halten können ...

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Cut!

Auf der apa-Website war heute morgen eine bemerkenswerte Notiz zu finden:

>>Die von der Innenministerin genannten 45 Prozent "integrationsunwilliger" Moslems sind in der - der APA vorliegenden - Studie über die Integration muslimischer Mitbürger in Österreich nicht zu finden. Es wird hingegen festgehalten, dass "der 'Mainstream' ... durch integrationsfreundliche Grundhaltungen repräsentiert (wird), nicht durch religiös-konservative oder versteinerte kulturelle Vorprägungen". Es gebe zwar eine "signifikante Minderheit", die anders denkt, sie "kann aber keine Meinungsführerschaft beanspruchen". Das Innenministerium meinte, dass der APA offenbar nur ein Teil der Studie vorliege und verwies auf die offizielle Präsentation.<<

Das wird also noch näher zu erklären sein. Von der ranghöchsten Politikerin in der Verantwortung für den inneren Frieden der Republik. Wie sie zu ihren Deutungen kam, die dieser Mitteilung entgegenstehen. Es ist außerdem ein interessantes Detail zur Frage, was ein vaterländischer Jurist für einen erbrachten "Beweis" hält. (Siehe den gestrigen Eintrag!) Meine Operettenrepublik hat Hochsaison. Abendländische Werte. Ja genau!

[Wir Kinder des Kalten Krieges]

Cut!

In der Demokratie sind den Kunstschaffenden Bedingungen garantiert, die einem demokratischen Grundbesdürfnis dienen. Den kritischen Diskursen und Verfahrensweisen, von denen (unter anderem) vorherrschende Kräfte gefordert und geprüft werden sollen.

Das korrespondiert mit dem Prinzip der Gewaltenteilung. Eine Staatstheorie, wonach Judikative, Legislative und Exekutive nicht in einer Hand sein dürfen. Damit es eine wechselseitige Kontrolle, einen Ausgleich der Kräfte gibt.

Die "Freiheit der Kunst" ist in genau diesem Zusammenhang gesetztlich artikulierte Willensbekundung einer Gesellschaft, es möge eine versierte Deutungselite die Mächtigen des Landes fordern. Aber auch: man möge sich auf diesem Feld um Beiträge bemühen, welche der Zukunft einer Kultur dienen. Solche Beiträge entstehen erfahrungsgemäß nicht in den Amtsstuben der Alltäglichkeit.

Polemisch verkürzt: ohne kritische Diskurse keine Demokratie. Was mit "Zensur" gemeint ist, habe ich unlängst skizziert. Das systematische Prüfen und kontrollieren von Publikationen aller Art. Also das überwachen öffentlicher Diskurse. Auf eine Art, wie es gewöhnlich nur Regime leisten können.

Weshalb mir nicht einleuchtet, warum es "eine Art von Zensur" sein soll, wenn ein Theaterdirektor aus undurchsichtigen oder nur all zu durchsichtigen Motiven ein Theaterstück absetzt. Um sich so auf jeden Fall für Momente in die Aufmerksamkeit des Feuilletons zu hebeln. Auch wenn seine Gründe, soweit er sie nennt, höchst unscharf und anfechtbar erscheinen.

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Das ist keine Zensur-Angelegenheit. Das ist ein Ringen um Definitionsmacht. Von verschiedenen nichtstaatlichen Instanzen: ein Autor (Handke), ein Theatermacher (Bozzonet), das Feuilleton ... siehe dazu den Eintrag vom 10. Mai!

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