11. Dezember 2006

Ein abendlicher Durchlauf der Musikfavoriten meines Sohnes hat wieder von einigen erschütternden Beispielen aus der aktuellen Jugendkultur gehandelt. Es ist immer noch alles in Ordnung zwischen uns, denn das meiste finde ich zu laut und zu heftig. Der Bursche erwähnte zwischendurch "Sweet Home Alabama", ich fragte notorisch: "In welcher Version?"

Denn ich hab mir schon abgewöhnt anzunehmen, er würde die Originalfassungen hören. Sagt der zu meiner Überraschung: Lynyrd Skynyrd. Das ist eine Südstaaten-Crew, deren Album "One More From The Road" bei mir im Regal steht. Da ist etwa vom Ende der 1970er Jahre die Rede. Keine Ahnung, über welche Wege solche Musiken das Interesse der Youngsters finden.

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Davor hatten wir noch Geschichte durchzunehmen. Ich war sehr erstaunt, daß mein Sohn über die Ursachen des Ersten Weltkrieg gelernt haben will: das Attentat in Sarajevo und weil die Menschen so kriegsbegeistert gewesen wären.

Daß 1913 die Osmanen den Balkan hatten räumen müssen, weil sie nach 500 Jahren Herrschaft den Zweiten Balkankrieg verloren hatten, fehlte im Bild. Daß Österreich darauf hin den Balkan kolonisieren wollte, wobei die Serben unter den Südslawen die exponiertesten Widersacher waren, daß aber auch andere Länder Europas in der Region Optionen hatten, fehlte im Bild.

Daß Deutschland die Engländer als dominante Seemacht zusammenstutzen wollte und der heftige Wunsch nach "Lebensraum im Osten" bestand, fehlte im Bild. (Seemacht = Vorteile in den "Kolonien" = Fernhandel = enormer Profit auf Kosten anderer Völker.) Naja, da wird mein Sohn einfach nicht alles behalten haben. Und daß Menschen kriegsbegeistert seien, darf man wohl immer der Politik und der Propaganda gutschreiben ...

Cut!

Ich hab vorgestern notiert: "...wenn man die Zeit von 1848 bis jetzt genauer betrachtet ..." Das war zufällig der Eintrag log848.htm. Netter Zufall. Was ist am genannten Abschnitt so interessant? Emil Niederhauser schreibt, die Volkszählung von 1850 ergab auf dem Gebiet des gesamten Reiches der Habsburger 35.751.000 Einwohner. Da sei Lombardo-Venetien eingeschlossen gewesen. Es müßten aber 648.000 Soldaten dazugerechnet werden. Das Haus Habsburg gebot also über mehr als 36 Millionen Menschen.

Denen stand an der gesellschaftlichen Spitze die Aristokratie gegenüber. Niederhauser: "Insgesamt lag ihre Zahl wahrscheinlich höchstens um 10.000." Das Verhältnis 1:3.600 hat für sich keine besondere Aussagekraft, illustriert bloß sehr flüchtig, daß man sich eine gesellschaftliche Pyramide mit extrem breiter Basis und extrem winziger Spitze vorstellen darf.

Der Adel unterlag 1848 noch keiner allgemeinen Steuerpflicht, die Bauern waren ihren Grundherren zu Frondiensten verpflichtet. Die Abschaffung dieser Frondienste war eines der Themen der 48er-Revolution. Neben der Abschaffung von Minister Metternich und der Abschaffung jener absolutistischen Monarchie, die hauptsächlich einem wirtschaftlich erfolgreichen Bürgertum bei dessen Entfaltung im Wege stand. Eine Monrachie, die den wachsenden nationalen Interessenskonflikten nicht gewachsen war.

Cut!

Wir werden nächsten Sonntag bei "langsamkeit: kaffee trinken" sehr viel konkreter zeigen, wohin wir den Fokus schieben, wenn wir sagen: Europa. Ich sehe viele der aktuellen Debatten von dem geprägt, was Kant, Napoleon und Metternich an Europa bewirkt haben. 1848 erscheint mir in vielen Aspekten immer noch präsent. Es beeinflußt Sprachregelungen, Sichtweisen, Kontroversen.

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Auf der Treppe, die von "K.U.L.M." mitten in die Oststeiermark gestellt wurde, die "Nomadin", wird dazu nächsten Sonntag ein Statement affichiert werden. Momentan ist da im Leuchtkasten noch "Was ist Nicht-Kunst" von Wolfgang Ullrich zu finden. [Der Text zum Download als PDF-Datei / 44 Kb.]

Diese kommende Station betont einige grundlegende Fragenstellungen. Sie ist zugleich Auftakt einer Debatte über das alte Denkmodell von "Zentrum / Provinz". Ich habe das selbst sehr lange vor allem über "Zentrumskritik" angegangen. Was ich heute für einen aussichtslosen Weg halte, da man sich so über "die andere Kategorie" definiert. Und genau so wurde "Provinz" ja generiert. Indem man kulturelle und andere Kategorien über das Zentrum definiert, am Zentrum Maß nimmt. So kann man nicht neu klären, weas denn dieser "ländliche Raum" nun sei. Das muß von da her und von da heraus geschehen, ohne diese Klärung über die "Kategorie Zentrum" vorzunehmen. Wo sich nun Aspekte eines "in between" ankündigen, denen wir uns das konzentriert bei der Station in Liechtenstein widmen werden.


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