6. März 2007

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Ich hab war gestern nebenan auf einen Tee. Der kam, wie man sehen kann, aus dem Samowar. Das kleine Kännchen obenauf, hier gerade in den Händen von Richard Mayr, enthält einen äußerst kräftigen Sud, von dem etwas in ein Teeglas kommt, um mit heißem Wasser aus dem Kessel darunter aufgegossen zu werden. Wir werden also zu unserem Auftakt von "next code: love" ganz amtlich Tee trinken.

Cut!

Eine orientalische Kuriosität hab ich dann abends bei einer Soiree des "Cultural City Network Graz" mit Vlada Ralko und Vlado Budnikov gesehen, genauer: gehört. Ich war erst nicht sicher, ob das ein Scherzartikel sei. Geht der Wecker ab, klingt es wie das Rufen des Muezzins.

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Ein Abend, an dem ich ins Staunen gekommen war. Über einen etwas zerknitterten Menschen, der hier in Gesellschaft süd- und ostslawischer Menschen den geboten Wein genoß und darüber raisonnierte, daß schon Karl May beschrieben habe, woher der Dreck und der Terror komme. May müsse man gelesen haben, Bagdad, Stambul, die Schluchten des Balkans. Jules Verne mußte auch herhalten, Verne der Sozialromantiker, und eben May, der Prophet des Stubenhockens, Propagandist der "schönen Wilden", so ein prärassistisch aufgestellter Schwadroneur, der mit enormer Breitenwirkung gezeigt hat, wie das geht, wenn man sich "die Fremden" nach eigenen Annahmen zurechtrichtet und Klischees, Ressentiments als Realitäten ausgibt.

Der zerknitterte Mensch wußte ferner zu erzählen, daß man damals in Sarajevo "unseren Kaiser" erschossen habe. Ganz so war es ja nicht, denn der Kaiser lebte noch lange genug, um zu sehen, welchen Terror er und der Hohenzoller in die Welt gebracht hatten, OBWOHL Serbien das gestellte Ultimatum im Übermaß erfüllt und den Attentäter ins Gefängnis gebracht hatte. Dem Gavrilo Princip war eben nicht "unser Kaiser" vor die Pistole gekommen, sondern der Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie Gräfin Chotek, beide bei Hof in Wien höchst unbeliebt.

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Die andere Seite des Abends, abermals Bosnien-Herzegowina, der Autor Saša Stanišic aus Višegrad (links, neben Fotograf Gerhard Gross). Auf meine Frage, ob er Emigrant oder Reisender sei, meinte er, einst Emigrant, nun Reisender, denn heute sei es sein eigener Wunsch und es mache ihm Freude, nicht seßhaft zu bleiben. So sieht das also aus, der Dreck und der Terror ... Es scheint nicht aufzuhören. Diese Falschmünzerei, wie sie mir der Zerknitterte vorgeführt hatte.

Das muß man möglicherweise zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Diese schäbige Art, sich selbst auf Kosten anderer herauszustellen und die schlechten Eigenschaften anderen zuzuschreiben, um das an sich selbst nicht bearbeiten zu müssen. log905d.jpg (7838 Byte)

Der Alltag liefert dafür ständig aktuelle Beispiele. Wie jenes vom vergangenen Sonntag in der "Kronen Zeitung". Unter der Headline "Der Balkan grüßt!" (vollständiger Text) erhalten wir das Angebot, die ungeheuren Raubzüge in einer BAWAG-Affäre oder die wachsenden Ungereimtheiten rund um die Beschaffung der Eurofighter nicht als etwas Hausgemachtes zu begreifen, sondern als etwas, das Wurzeln und Quellen, mindestens aber sein Maß der Dinge bei den Südslawen habe. Eben auf dem Balkan.

In der BAWAG-Affäre  wurden etwa zwei Milliarden Euro versenkt, was rund um die Jagdflugzeuge an volkswirtschaftlichem Schaden zugunsten privater Nutznießer generiert wurde, wird wohl erst in einiger Zeit dargestellt werden können. Aber um sowas zu thematisieren, muß "Der Balkan" als Referenzgröße bemüht werden. Das ist nicht nur ein infamer Akt des Lesebriefschreibers, auch und vor allem der Redakteur, durch den solcher Mist Publizität erhält, reiht sich unter jene ein, welche den "Dreck" und den "Terror" mit treuherzigem Blick anderen Völkern zuschreiben.

[Der "Balkan-Reflex"]


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10•07