18. November 2007

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Sieht unspektakulär aus, ist es auch, der erste Schnee den ich nun zu sehen bekam, hat sich heute morgen gezeigt. Obwohl es kaum ausgibt, anderswo gab es schon Schnee-Chaos und große Debatten, warum einen der zu erwartende Schnee immer wieder überrascht, aber in meiner Gegend kommt seit einiger Zeit so wenig davon, dennoch ist mir das stets wieder ein besonderer Eindruck: Der erste Schnee.

Welches Gewicht mag vergleichsweise die Kirschblüte haben, der in Japans Kunst so viele Motive gewidmet sind? (Japans Kunst werde ich hier noch streifen.)

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Eine andere weiße Blüte hatte ich zwei Tage davor am Heck meines Gocarts entdeckt. Und weil sich vorne der Verkehr staute, sprang ich kurz aus dem Wagen, um den Audi R 8 zu fotografieren. Eine Mittelmotor-Bestie, die mit über 400 PS beheizt wird.

Da ich vorgestern die Russische Avantgarde erwähnt hatte, legt der Audi einen kleinen Querverweis zu den Futuristen nahe. Einer dieser innerlich zu kurz geratenen Italiener, nämlich Marinetti, hatte in seinem einschlägigen Manifest auf blumige Art konstatiert, daß ein Rennwagen schöner sei als die Nike von Samothrake. Da sich nun Äpfel und Birnen nicht gut direkt vergleichen lassen, darf man annehmen, der protofaschistische Marinetti hatte seinen Spaß daran, eine Ikone des bürgerlichen Bildungskanons mit einem furchterregenden Bildnis seiner Gegenwart anzurempeln. Denn im Jahre 1909 waren Rennautos in jeder Hinsicht furchteinflößende Konstruktionen.

Mit genau diesem Motiv spielt die Autoindustrie immer noch. Man braucht oben bloß zu beachten, daß die Lampen der aggressiven Schneeflocke wie die Augen eines Raubtieres geschnitten sind, die "geduckte Haltung" und das riesige Maul geben eindeutige Botschaften.

Ich zitiere noch zwei Passagen aus dem "Futuristischen Manifest", die ganz passabel belegen, daß künstlerische Praxis nicht schon a priori zu akzeptablen Denkweisen führt, was folglich einmal mehr erahnen läßt, daß Kunstschaffenden niemals ganz grundsätzlich eine besondere Position innerhalb einer Gesellschaft zukommen kann. An einer Stelle meinte Marinetti:

>>9. Wir wollen den Krieg verherrlichen -- diese einzige Hygiene der Welt -- den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.<<

Kommentar? Kein Kommentar! An anderer Stelle kann man gar nicht genug staunen, welche Themen er da kausal verknüpft:

>>10. Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht.<<

Wozu mir übrigens einfällt, wie gerne mein Vater sich auf Mussolini berufen hatte, der, falls da von meinem Alten korrekt zitiert wurde, eine "sacro egoismo" gewürdigt haben soll. "Heiliger Eigennutz". Naja, in Auschwitz haben sich solche Schrullen zu Lasten von ungezählten Opfern eingelöst.

Nun weiß ich zwar zu schätzen, was Ingenieure zuwege bringen, aber in den Rang von Kunstwerken dringen diese Stücke nicht vor. Auch wenn ihre Entstehung teilweise aus gleichen Quellen geschöpft sein mag.

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Japans Kunst war mir letzte Nacht ein Thema. Auf seltsamen Umwegen. Ich hab hier Anfang des Monats meine Anfälligkeit für "Sevdalinke" erwähnt. (Siehe Eintrag vom 5. November!) Unter den Liedern, die Safet Isovic da singt, ist eines zu meinem Favoriten geworden, von dem ich nun endlich wissen wollte, wovon es erzählt. Dabei hat mir Mirjana Selakov nun weitergeholfen.

Gestützt auf eine kleine Telefonkonferenz mit ihrer Freundin Su, die aus Vukovar stammt, in Sarajevo gelebt hat, und über einige sprachliche Details Auskunft geben konnte, die bosnisch-moslemische Wurzeln haben und sich einer Serbin offenbar nicht ohne weiteres erschließen.

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So wurde klar, daß "san zaspala" voller sprachlicher Mehrdeutigkeit ist, kaum 1:1 übersetzbar, weil es zum Verständnis eine Kenntnis dieser Denkweisen und Ausdrucksformen voraussetzt, sprachlich am ehesten mit einem Haiku vergleichbar.

Ich hab mir dann auch noch einige der anderen Sevdalinke erläutern lassen und war vom hohen poetischen Niveau dieser Geschichten erstaunt. Ich merke schon, ich komme heute mit den Aspekten von Ereignissen nicht zurande. Da wäre nun wenigstens dieses eine Lied noch darzulegen, da sind außerdem Merkwürdigkeiten im Verhältnis von Kroaten und Muslimen, worüber ich erfuhr. Dabei wollte ich ursprünglich noch von Regina und Peder Kedl und ihrer Ausstellung in Gleisdorf erzählen.

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Aber es läuft hier ja nichts weg. Oder?


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