13. Juni 2009

"Kafka hatte auch nicht immer Spaß." Eine tröstliche Notiz, zugleich ein kleiner Beleg des Nutzens eines Bildungs-Kanons. Ich bin beim Promoten dieses Konzeptes sehr zurückhaltend, weil unsicher. Was man sich unter dem "bürgerlichen Bildungs-Kanon" vorstellen darf, hat ja auch sehr merkwürdige Seiten.

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Aber nach rund 40jähriger Lektüre und Gänge quer durch die angebotenen Felder steht doch fest: Darin liegt ein Orientierungssystem, eine Matrix von Ideen, Bildern, Auffassungen, durch die es mir leicht wird, bei anderen Menschen Anknüpfungspunkte zu finden. Auch wenn sie aus völlig anderen Bezugssystemen stammen.

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Eines meiner prägnantesten Erlebnisse in der Hinsicht war meine Begegnung mit dem rumänischen Künstler Romelo Pervolovici. (Auf dem Foto links, im Gespräch mit Kurator Adam Budak.) Ein Mann meiner Generation, unter Ceausescu aufgewachsen, also quasi auf einem völlig anderen Planeten sozialisiert. Und dennoch weder ein harter Kontrast noch eine Barriere, außerdem reichlich Übereinkünfte in den Schlüssen, die wir aus diesem und aus jenem Leben gezogen haben.

Das hat meiner Meinung nach viel mit der oben genannten Matrix zu tun. Kulturelle Erfahrungen an Kunstwerken und an Prozessen. Unter "official bootleg" befindet sich übrigens eine Videominiatur über Pervolovici: [link]

Apropos "official bootleg"! Ich hab gestern erwähnt, das sei eine Referenz an Paul Jones. Ich kann nicht annehmen, daß der exzellente Musiker bei uns rasend bekannt ist. Er war ursprünglich bei Manfred Mann im Boot gewesen und hatte später der "Bluesband" vorgestanden. Ich hab ihn während meiner Hamburger Jahre live und aus nächster Nähe erlebt. Zu der Zeit war gerade das Album "official bootleg" herausgekommen.

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Doch zurück zum Kafka-T-Shirt. Das hing im "Museum für Gegenwartskunst" in Novi Sad als Beitrag zur Ausstellung "Neues Drama" über slowakische Theaterleute. Vor der Hütte steht noch ein amerikanischer Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg herum. Eines von unzähligen Artefakten aus jener Ära, in welcher sich Tito gegenüber anderen Kräften durchgesetzt hatte, um ein Jugoslawien zu initiieren, das kürzlich in Trümmer ging.

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In Trümmern liegen mittlerweile auch die Mahnmale, wie hier eines in Stapar. 1941 waren die Nazi-Truppen auf dem Balkan aufmarschiert. Damit überlagerte ein Terror-Regime den "internen" Bürgerkrieg der südslawischen Nationen. Ein Ringen, das ebenso erbittert geführt wurde wie der Kampf gegen Hitlers Horden.

Es besteht wenig Zweifel, daß in diesem Abschnitt der Anbahnung Jugoslawiens wesentliche Gründe für sein Zerbrechen liegen. Das sind freilich nur innere Ursachen. Von den äußeren wird bei uns noch immer nicht geredet. Wie und wodurch ein westliches Europa und die USA Interessen daran hatten, daß dieser Staat zerbricht, diese Interessen auch durchsetzte.

[Der "Balkan-Reflex"]


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