| 11. Februar 2010 
 Ich meine mich zu erinnern, daß dieser Mann schon vor
        Jahrzehnen genau so in den Straßen des Grazer Zentrums hockte. Er tut es auch
        gegenwärtig. Zu meiner Überraschung fand ich kürzlich nur wenige Schritte, nachdem ich
        ihn passiert hatte, sein Abbild in der gleichen Gasse, als hätte sein langes Sitzen etwas
        hinterlassen. Er sitzt, schweigt, blickt vor sich hin. Nicht nur im Bild, sondern auch als
        reale Person. Cut! 
 Ein recht moderater Winter, endlich mit dem Ausmaß an
        Schnee, das wir hier gerne mit Winter assoziieren, aber keineswegs so, daß ich bis in
        Knieehöhe darin stecken würde, wenn ich auf die Straße gehe. Gut, paßt auch nicht, wie
        ich höre. 
 Davon können Bürgermeister, hier auch eine Orts-Chefin
        unter ihnen, momentan ein Lied singen, da recht durchgängig, auch in entlegenen Winkeln,
        jederzeit geräumte Wege erwartet werden. Kopfschütteln in dieser Runde. (Man beachte die
        umgeklappten Monitore, über die allerhand Programme gefahren werden können. Feines
        Equipment im Gleisdorfer Sitzungssaal.) 
          
            | Ich erlebe spannende Stunden, wenn ich in
            dieser Ära einbrechender Budgets und anbrechender Wahlkämpfe raus gehe, um die Sache der
            Kunst zu verhandeln. Es sind dabei keine kämpferischen Attitüden notwendig, vielmehr ein
            Vorlegen von guten Gründen, dann aber doch auch ein Ringen um jeden Zentimeter Bodens. |  | Ja, es wäre komfortabel, all diese Zeit der
        Verhandlungen, der Fahrten und Umtriebe hauptsächlich auf das primäre Werk, auf ein
        wachsendes künstlerisches Oeuvre verwenden zu können. Aber abseits des Landeszentrums
        gibt es keine Kulturpolitik, welche Ortsgrenzen überschreitet. Das muß erst eingeführt
        werden. Zu dieser Sache gibt es jetzt im Web übrigens ein "Fahrtenbuch"
        mit seinem ersten Eintrag ... Cut! Was hat's in meiner Umgebung, vor allem im Web 2.0-Bereich,
        gerauscht, als der Schauspieler Alfons Haider kürzlich sehr exponiert war, weil er sich
        etwas ungeniert über die Zustände in Österreich geäußert hatte. Na, was schon? Und
        was wurde der zitiert, für ein freches Sätzchen mit Aufmerksamkeit bedacht. Haider bezeichnet sich selbst als "Hochglanz-Gesicht"
        und ordnet sich jener (bescheidenen heimischen) Glitzerwelt zu, von der ich noch nie
        interessante politische Impulse erwartet habe. Unsere älteren Geschwister haben außerdem
        das Motiv des "langen Marsches durch die Institutionen" längst
        abgehandelt und geklärt. Fazit: Dabei ändern sich die Institutionen kaum, meist werden
        die Marschierer korrumpiert, wenigstens aber angepaßt. 
          
            | Nun dieses ausführliche Interview in "Der Standard", wo auf
            flüchtigen Blick scheinen möchte, daß uns der Mann was zu sagen hätte. Hat er ja auch.
            Und zwar eine Ungeheuerlichkeit. Aha! Das Problem ist
            also nicht die einzelne Person, noch dazu im höchsten politischen Rang, sondern das
            System. Fekter würde ja womöglich ganz anders, wenn sie könnte, aber das System ... |  | Die politische Funktion müsse
        erfüllt werden und das wird dann von einem anderen Systemteil ausgenützt. Wir sind also
        in geheimnisvolle Wirkungsmächte geworfen, dem sich reale Personen offenbar nicht
        entziehen können. Na, auf diesen Akt von Staatsbürgerkunde kann
        ich dankend verzichten. Damit werden wir nicht weiter kommen, als es meine Eltern waren,
        nachdem sie sich aus den Vierzigerjahren rausreden mußten. Dem Burschen kauf ich nichts
        ab! Er hängt sich aus dem Fenster, macht Quote, richtet der etablierten Clique dann aber
        schon aus, daß er diesen Leuten eh gerne begegnet und wisse, sie wären ja nicht so, wie
        es "das System" ihnen aufnötige ... Was war da noch gerade?Durch eine Debatte mit Kunsthistorikerin Mirjana Selakov bin ich auf das "Postskriptum über die
        Kontrollgesellschaften" [link]
        von Gilles Deleuze gestoßen. Nachdem "Überwachen und Strafen" von
        Foucault schon etliche Jährchen drauf hat, war ich überrascht, wie solche Aspekte nun in
        die nähere Gegenwart weitergedacht wurden. (Naja, 1990, der Text ist auch nicht gerade
        taufrisch ;-)))
        >>Die
        Kontrollgesellschaften sind dabei, die Disziplinargesellschaften abzulösen.
        "Kontrolle" ist der Name, den Burroughs vorschlägt, um das neue Monster zu
        bezeichnen, in dem Foucault unsere nahe Zukunft erkennt.<< Das rührt auch an der Kuriosität, daß mich via Web 2.0
        eine tägliche Flut von Aufrufen erreicht, dieser oder jener Gruppe
        "beizutreten", also mich per Mausklick auf eine Liste zu setzen, eine
        "Meinunsgliste", die dann für, meiste aber GEGEN eine Situation, einen
        republikanischen Übelstand steht. So leicht scheint Demokratie geworden zu sein: Bloß
        täglich ein paar Klicks und dazwischen ein, zwei gepostete Artikel gelesen, hat sich! Und
        das ausgerechnet auf Web 2.0-Applikationen, die uns der EDV-gestützten Kontrolle auf dem
        Silbertablett servieren. Lustig! Deleuze:>>In
        den Disziplinargesellschaften hörte man nie auf anzufangen (von der Schule in die
        Kaserne, von der Kaserne in die Fabrik), während man in den Kontrollgesellschaften nie
        mit irgend etwas fertig wird: Unternehmen, Weiterbildung, Dienstleistung sind metastabile
        und koexistierende Zustände ein und derselben Modulation, die einem universellen
        Verzerrer gleicht.<< 
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