3. März 2010

Schon die Habsburger wußten, daß Innenpolitik etwas leichter wird, wenn man via Propaganda einen "Außenfeind" ausreichend deutlich in Position bringen kann. Aus solchen Zusammenhängen sind sogenannte "Türkenschriften" erhalten, die gegen den angeblichen "Feind des Abendlandes" mobilisieren sollten.

Zwar haben es die Osmanen bis Wien geschafft, aber damit wurden die Habsburger ja fertig. Später war es dann eher Napoleon, der die Machtinteressen des Hauses Österreich beschädigte, der den Laden des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" schloß und in dieser Sache das Licht ausmachte.

Und was hat das alles mit den Untertanen zu tun? Die durften sich stets krumm machen, egal wer regierte. Historische betrachtet: Unter den Stiefeln osmanischer Steuereintreiber war das Leben nicht schlechter als unter jenen europäischer Mächte. Wie überhaupt dem Knecht Stiefel gleich Stiefel ist, das konnte später noch Bert Brecht konstatieren oder Theodor Kramer, manch Andere mußten zu ähnlichen Schlüsseln kommen. Und wenn wir genauer hinsehen, ist es heute ebenso.

Polemisch verkürzt:
Eliten suchen ihre Positionen zu festigen, ihre Vorteile zu sichern und die damit verbundene notorische Verteilungsungerechtigkeit ideologisch abzustützen, um der Bevölkerung so die Legitimation des eigenen Status zu verkaufen: "Mir geht es so gut, weil ich so tüchtig bin. Wenn du dich bloß anstrengen wolltest, könntest du auch in unserem Boot sitzen."
(Wie da Berlusconi lacht!)

Es geht nur auf diese Art, mit Ideologie und Propaganda, weil kein Regime genug bewaffnetes Personal aufbringen kann, um langfristig die Eliten gegen einen verarmenden Pöbel abzuschotten. Außerdem könnte ja das bewaffnete Personal jederzeit auf die Idee kommen, den Schuppen selbst zu übernehmen. Also wird viel an Propaganda und Ideologie gebraucht, um alle Leute an ihren Plätzen halten zu können. (Die Wachleute müssen in die Köpfe verlagert werden.)

Und heute? Es hatte schon Jörg Haiders FPÖ mit all ihren folgenden Derivaten genug anschauliche Beispiele geliefert, wie unverfroren sich aus der engeren Gefolgschaft der Spitzenleute allerhand Parvenüs bedienen, versorgen, bereichern. Da braucht man dann schon sehr markant zurechtgestellte "Arbeitsscheue", "Sozialschmarotzer", "Ausländer", "Muslime" etc., um den Blick auf diese Faktenlage zu verstellen.

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Was für ein Zufall, daß grade heute wieder so eine Nachricht über die Braven, Rechten und Ordentlichen zu lesen war. (Quelle: "Kleine Zeitung") Und weiter?

Zwei Behauptungen wird man mir schwer widerlegen können:
1) Es gibt in Österreich nicht genug kleine Ganoven, um so viel Schaden an der Volkswirtschaft anzurichten, wie es ein Grüppchen Krawattenköpfe in diversen großen Unternehmungen schafft.
2) Es gibt in Österreich nicht genug BEZAHLTE Arbeit, um alle Leute, die gern arbeiten wollen, auch angemessen zu beschäftigen (und zu entlohnen).

Damit behaupte ich auch, daß unsere Existenzen durch wenig so sehr bedroht sind, wie durch die ansteigende Verteilungsungerechtigkeit, verknüpft mit einem Maß an Korruption, zu dem nur Eliten befähigt sind, weil niedere Einkommensschichten gar nicht die Möglichkeiten hätten, vergleichbare Mittel zu bewegen und versickern zu lassen.

Daraus erwächst eine der gefährlichsten Bedrohungen weltweit zu neuer Stärke: Junge Männer, die keine Aussicht auf eine angemessene Existenz haben. Ich denke, es gibt überhaupt nichts gefährlicheres als solche Formationen, die der Soziologe Gunnar Heinsohn "Youth Bulge" nennt.

Demnach führe eine "Aufwölbung" von männlichen Jugendlichen innerhalb einer Gesellschaft mit Sicherheit zu Problemen, und zwar schon seit einigen tausend Jahren,  wenn ein kritisches Potenzial erreicht sei, das er so quantifiziert: Es komme verläßlich zu Gewalttaten, wenn 15- bis 24-jährige mindestens 20 Prozent, beziehungsweise 0- bis 15-jährige Kinder mindestens 30 Prozent einer Gesamtbevölkerung ausmachen.

Wohlgemerkt, Milieus, denen jede Aussicht auf Job und Zukunft verwehrt erscheinen. Regierende wissen, das führt zu Problemen, die sich entweder nach innen oder nach außen entladen. Polemisch verkürzt: Unruhen und Umbruch oder Krieg, man kann es sich aussuchen.

Was für ein Zufall, daß wir in Europa nun seit vielen Jahren beobachten könnten, wie sich solche Probleme aufbauen, wie dabei rechtsextreme Formationen Zulauf und Popularität gewinnen, wie solche Zirkel in den Parlamenten reüssieren, weil politische Aufsteiger solches Unruhepotenzial "bewirtschaften".

Und in Österreich nun eine Vaterländische im Bewerb um das Amt der Bundespräsidentschaft, eine Frau, deren stabile Fundamente in solchen labilen Umständen außer Diskussion stehen, ja sogar durch Gerichtsurteile dargestellt wurden.

Ich halte gar nichts von Proponenten und Proponentinnen einer "Mausklick-Demokratie", die nun Webspace vergeuden, um ihre Ansichten über die Kandidatin auszustreuen. Was das Produkt solcher Entwicklungen, die Politik-Figur Barbara Rosenkranz, angeht, gibt es ja nichts Neues zu berichten, nichts Neues zu erfahren.

Jetzt bestünde dagegen erneut Klärungsbedarf, was wir vor der eigenen Haustür zu tun gedenken, um die Ursachen solcher Prozesse zu bearbeiten, um jene Wellen der Verteilungsugrechtigkeiten zu brechen, auf denen die Vaterländischen Fahrt machen.

Post Scriptum
So schrieb Bert Brecht:

Ach, wir hatten viele Herren
Hatten Tiger und Hyänen
Hatten Adler, hatten Schweine
Doch wir nährten den und jenen.
Ob sie besser waren oder schlimmer:
Ach, der Stiefel glich dem Stiefel immer
Und uns trat er. Ihr versteht: ich meine
Daß wir keine anderen Herren brauchen, sondern keine.


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