27. April 2010

Das Weizer Krankenhaus ist etwas entlegen und nur über sehr verwinkelte Wege erreichbar. Hast du Schmerzen? Es geht. War es eine Auseinandersetzung oder ein Arbeitsunfall? Ein Arbeitsunfall. Bist du wo dagegengeflogen oder ist dir was entgegengeflogen? Er ist wo dagegengeflogen. Kommst du damit klar? Ja.

log1582a.jpg (20196 Byte)

Wir gingen nach all dem auf einen Drink. Die Wunde zieht sich von der Augenbraue in die Stirn. Offenbar noch handlich genug, daß sie nicht genäht, sondern geklebt wurde. Das hat uns beide ziemlich erstaunt. Ich stamme selbst aus einer Zeit, wo Wunden zuweilen sogar mit Metallklammern verschlossen wurden, was ich als ziemlich widerliche Sache in Erinnerung habe.

Es werde eine Narbe bleiben, hieß es, was uns beide abwinken ließ. Narben sind in meiner Lebensgeschichte Standard und es scheint bei meinem Buben ebenso zu sein. Nein, daraus leitet sich keineswegs eine heldische Attitüde ab. Ich habe es selbst erst nach vielen Jahren begriffen. Da ich esoterische Deutungen ablehne, liegt eine viel pragmatischere Ansicht nahe. Es hat damit zu tun, sich nicht dauernd um Kanten und Ecken eines Lebens herumzudrücken.

Niemand, besser gesagt, kaum jemand wünscht sich Schmerzen, sucht sie. Ihnen aber stets ausweichen zu wollen, das ergäbe eine merkwürdige Vermeidungshaltung als Lebenskonzept. Abrieb in Kauf nehmen. Daraus errichtet sich noch keine Kerl-Nummer. Ich kenne die weitreichenden Spielarten physischen Schmerzes zu gründlich, um sehr genau zu wissen, die Kerl-Nummer reicht bestenfalls bis zu dem Moment, wo einem der Leib aufgerissen wird. Dann beruhigt sich diese Blödheit schlagartig.

Das zeigen uns gängige Filmchen ja nicht. Kerl-Nummer -- Katastrophe -- Danach brüllendes Sterben oder heldisches Schweigen. Was für ein Blödsinn!

Wenn Haut aufbricht, wenn harte Gegenstände in einen eindringen, womöglich Knochen brechen, enden die großen Gesten, verebben oder brechen schlagartig ab. In populären Testosteron-Operetten wird das immer noch ganz kontrafaktisch abgehandelt. Das ist unsere präfaschistische Dauerpropaganda, die eine absurde Spielart von Mannsein zelebriert.

Die Kerl-Nummer ist ein Lieblingsmotiv der zuschlagenden Autoritäten, wie sie gerade wieder im Gerede sind, egal ob sie im Ornat oder in üblicher Straßenkleidung auftreten. Diese schäbigen Herrenmenschen, denen der Schmerz ANDERER egal ist und deren harte Posen schnell verfliegen würden, sobald ihnen eine Faust in den Rachen geschoben wäre, was sich freilich verbietet; aus tausend Gründen.

Was trennt also die Felder? Lieblosigkeit. Wer für den Schmerz, den er anderen zufügt, taub bleibt, äußert darin ein rohes Herz, das Abscheu erregt. Aber ein noch tieferes Übel sind mir jene, die sowas schönreden, decken, sich nutzbar machen. Ganze Imperien beruhen auf Netzwerken solcher häßlicher Herzen. Dazu finde ich beim besten Willen kein anderes Bild, als daß derlei Netzwerke zerschlagen werden müssen. Um so mehr, als man sich durch Lieblosigkeit und Gewalttätigkeit Menschen nutzbar macht wie Haustiere. Das ist eine ziemlich widerwärtige Angelegenheit ...


[kontakt] [reset] [krusche]

17•10