20. März 2011

Daß einen der Schrecken erreicht. Und wohin, wenn er sich nicht abwenden läßt? Ich meine damit jegliche Art der Attacken auf jene individuelle Versehrbarkeit, die wir mit nur schwachen Schranken gegen Überwältigung sichern können. Eine Versehrbarkeit, die uns alle ausmacht.

Würden wir unseren Alltag bewältigen können, wenn wir das ständig präsent haben müßten? Kaum. Ich denke, Zivilisation bedeutet, in Gemeinschaft darum zu ringen, daß uns möglichst viel Schutz vor Schrecken und Überwältigung gelingt. Wer das preisgibt, steht auf der Seite der Barbarei.

Aber wovon ist nun hier die Rede? Ich bin momentan eher irritiert, wie viele bewegende Ereignisse in der Nähe und in großer Ferne diese Zusammenhänge berühren. Es zeigt mir zugleich, wie konfus unsere Ausstattung ist, als Gesellschaft, als ein "Wir", damit umzugehen.

Momentan dominiert in öffentlicher Wahrnehmung offenbar das Elend Japans, wo erst eine Naturkatastrophe Tausende Menschen getötet und noch mehr obdachlos gemacht hat, um in der Folge Atomreaktoren hochgehen zu lassen. Die Heftigkeit der Reaktionen in meinem Land irritiert mich; speziell in der Web 2.0-Welt wogt gut erkennbar ein Reaktionsgemenge, dem ich recht mißtraue.

Das Mitgefühl mit Leidenden ist es natürlich nicht, was mich so irritiert. Dem fühle ich mich sehr verbunden, weil das ja eine Grundlage jenes Schutzes ist, den ich eingangs als grundlegend für menschliche Gemeinschaft erwähnt habe.

Aber der Appell um "Solidarität für Japan" erscheint mir etwas gespenstisch. Dieses Japan war mit seinem mutmaßlich in etlichen Bereichen noch ungebrochenen außereuropäischen Faschismus ein Alliierter der Nazi. Es ist mir nicht bekannt, daß dieses Land, keineswegs Rechtsnachfolger eines vormalig verbrecherischen Regimes, sondern eben dieses, einst faschistische, Japan, mit dieser Geschichte angemessen gebrochen hätte.

Was das und andere Ursachen in der Folge an realer Menschenverachtung und merkwürdigen gesellschaftlichen Entwicklungen mit sich brachte, will ich hier gar nicht ausbreiten. Es drückt sich ja auch in einer Selbstmordrate aus, die zur Weltspitze gehört. (Eine traurige Prominenz, die übrigens auch dem Bundesland Steiermark zukommt.) Diese Merkwürdigkeiten reichen bis in Details wie das breite Bemühen um Beiträge, die Wale gänzlich aus der Welt zu schaffen; auch über den Umgang mit Thunfischen wäre allerhand zu erzählen.

Darum meine Unterscheidung zwischen dem Mitgefühl für Leidende, also die Menschen Japans, und der "Solidarität für Japan", also das Land, die Nation, den Staat. Eine Differenzierung, die uns erfahrungsgemäß all zu oft mißlingt.

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Wann hatte ich zuletzt mit einem japanischen Menschen zu tun? Es ist kaum mehr als ein halbes Jahr her. Ich war vergangenen August Gast dieser Runde. Wir haben gemeinsam gekocht, gegessen und über das Leben geplaudert. (Von links: Gerhard Flekatsch, Tetsushi Higashino und der Araber Raed Ibrahim.) Künstler, Kulturschaffende ... ich hab Tetsushi als humorvollen, sehr zurückhaltenden Künstler in Erinnerung, den große Neugier durch die Welt treibt und dessen feine Arbeiten das auf kluge Art reflektieren.

Nichts von all dem, was mich gegen sein Land einnimmt, könnte ich mit ihm in Verbindung bringen. Ich habe natürlich auch keinerlei Einwände gegen die denkbaren und notwendigen Hilfsmaßnahmen für das erschütterte Volk. Ganz im Gegenteil. Ich gehe davon aus, daß eine menschliche Weltgemeinschaft heute über genug Erfahrung, Sachkenntnis und auch über die nötigen Mittel verfügt, um einem ganzen Land in solchen Zeiten beizustehen.

Ich denke, es darf kein Problem sein, jene Maßnahmen zu treffen und Güter zu beschaffen, mit denen geschlagene Menschen nun Milderung und Trost erfahren können. Ich will nicht begreifen, warum das solcher Erregung bedürfen sollte, wie sie mir medial gerade vermittelt wird. Appelle? Wieso? Wozu?

Konrad Paul Liessmann, welcher mit der Medienkritik des österreichischen Philosophen Günther Anders gut vertraut ist, schrieb in einem Buch über die "Philosophie der modernen Kunst" zur Frage nach der Wirkungsweise unserer zentralen Emotionsmaschinerie TV mit Berufung auf Anders:

>>Das Fernsehbild als Abbild wirkt als Vorbild für jene Realität, die es dann wieder abzubilden vorgeben wird: "Das Wirkliche -- das angebliche Vorbild -- muß also seinen eventuellen Abbildungen angemessen, nach dem Bilde seiner Reproduktion umgeschaffen werden. Die Tagesereignisse müssen ihren Kopien zuvorkommende nachkommen."<<

Diese kleine Absatz will sehr aufmerksam gelesen sein, um einen deutlichen Hinweis zu erhalten, wie sehr wir dem mißtrauen sollten, wozu uns Fernsehbilder und Boulevardpresse bewegen. (Liessmann zitiert dabei aus Anders' "Die Antiquiertheit des Menschen".)

Es geht also meiner Meinung nach nicht vorrangig um eine "Solidarität mit Japan", sondern a) um konkrete, unverzügliche Hilfe für das japanische Volk und b) um Solidarität mit einer weltweiten Gemeinschaft der Menschen.

Es müßte ja schon einige Jahrzehnte für Unmut gut sein, daß private Companies Geschäfte betreiben können, die über Jahre und Jahre Profit in private Taschen schaufeln, aber wenn Dinge derart schiefgehen, die Kosten dafür einem ganzen Volk oder mehreren Völkern aufbürden.

Was schert mich der flennende japanische Konzern- Chef? (Quelle: "Der Standard") ich hätte lieber Gesetze in Aussicht, die es ermöglichen, solche Companies umgehend zu versenken und den Verantwortlichen bis in die letzten Winkel all ihr Geld zu entreißen, um dmit Wiedergutmachung zu füttern.

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