21. Dezember 2013

Mit Muhidin Saric war es das weitgehende Schweigen, in dem viel zu erfahren lag. Mit Flurim ist es das Reden, denn wir kennen uns lange genug, so daß ich sehr offen mit ihm sprechen darf. Gelegentlich bringen ihn seine Geschäfte nach Österreich, da liegt Gleisdorf günstig.

Sie könnten in keinen Wald hinein, bräuchten meist freies Feld und man würde sie schon von weit her kommen hören. "Panzer", sagte Flurim mit einer wegwerfenden Handbewegung, könnten nur recht flach schießen, also irgendwo hin. Das Gefährlichste an ihnen seien die Soldaten, die in ihrer Deckung hinterherlaufen.

Da sprach er freilich aus dem Blickwinkel eines Guerilleros, eines etwas ausgehungerten, zaundürren Albaners im Kosovo, der stets auf der Such nach Nahrung und Munition war und stets auf der Hut vor unerwarteten Begegnungen mit serbischen Verbänden. "Wenn mich ein Kommandant gefragt hat, was wir haben, hieß es immer: Wir nehmen uns, was wir brauchen."

Sie waren meist zu Fuß unterwegs gewesen, hatten manchmal Pferde für Transportaufgaben. Die Konfrontation mit motorisierten Einheiten handelt also von sehr harten Kontrasten.

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Ich hatte mir zuletzt im slowenischen Pivka eines dieser russischen Monster näher angesehen. Sie seien sehr schnell, sagt Flurim, aber die Besatzung habe nach hinten so gut wie keine Sicht und eine total schwache Panzerung. Man dürfe sie nicht von vorne angreifen.

Das entsprach der Schilderung von Kera, einem vormals serbischen Panzerkommandant, der mir erzählt hatte, das seien zwei der Hauptprobleme mit dem Fahrzeug gewesen. Angriffe von hinten und genug Sprit, um wieder heimfahren zu können.

"Hast du eine militärische Ausbildung gehabt?" "Wir haben das mit den Haftminen trainiert", erwiderte ich, "aber für mich war so ein herankommender Battle Tank immer enorm furchteinflößend." "Mit einer Stinger kannst du jeden Panzer ausschalten", sagte Flurim. "Legst du auf die Schulter, ist leichter zu bedienen als ein Sturmgewehr."

Das ist natürlich keine flockige Veteranenplauderei, die wir gestern gepflegt haben. Es ging um etwas ganz anderes. Diesen Mann kann ich Dinge fragen, die jenseits der Dauerpropaganda mit den harten Kerlen und der hohen Feuerkraft liegen. Er hat es überlebt, viele seiner Freunde nicht.

Aber das ging noch weiter. Die Jahre nach dem Krieg im Kosovo erlagen etliche ihrer schlechten Gesundheit. Andere haben sich umgebracht, weil sie nicht ertragen konnten, was in ihnen wütete.

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Davon erzählen uns freilich die Action-Filme und Hochglanzmagazine gar nichts. Blätter wie etwa das News Tactical Magazine [link] verkaufen uns dieses Metier als eine Mischung von kantigen Kerlen, mächtigen Knarren, großen Maschinen, Sex und Lifestyle. Was für ein Mumpitz!

Seit dem Großen Krieg haben wir dieses Motiv medial permanent präsent. Der soldatische Mann, der Kerl, dem niemand etwas kann. Und falls doch, wird er unter opulente Denkmäler geschoben.

Was uns die Regierungen unterschlagen, sind die Traumata der Überlebenden, die von Schlachtfeldern zurückkommen. "Ich habe immer noch Albträume", sagte Flurim. "Es hört nicht auf."

Wir haben also über Kräftespiele zu reden, die eine enorme Auswirkung auf die jeweilige Gesellschaft haben, denn die traumatisierten Leute prägen damit ein bis zwei weitere Generationen.

Ich denke, das ist einer der Hauptgründe für den enormen Propagandaaufwand, der zum Beispiel unsere gesamte Unterhaltungsindustrie durchzieht. Die Filme und Filmchen zeigen uns nicht, was ein Schußwechsel an den Beteiligten bewirkt. All das soll umdeuten, auch beschönigen, was im kollektiven Bewußtsein an Wissen über Krieg vorhanden ist.

Ich vermute sogar einen doppelten Nutzen dieser Propaganda.

Sie soll vergessen machen, was der Waffengebrauch an uns bewirkt und wie lange dieser Effekt nachwirkt, nämlich über Generationen. Und was an diffuser Unruhe in uns bleibt, läßt sich in neue Feindbilder übersetzen, die ebenso beitragen, Menschen für nächste Waffengänge bereit zu machen...

[The Track: Axiom | 2014] [Generaldikumentation]

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