1. August 2014

Ich kann nicht ausschließen, daß so manche meiner Ansichten derart romantischer Natur sind, das läßt sie wenig Aussicht auf Realitsätsgewinn haben. Kürzlich bekam ich Einwände zu hören, wo ich für Barbaren, die uns ja keine Märchenfiguren sind, sondern Menschen, denen wir konkret begegnen können, eine Nachricht deponiert habe:

"Unsere Erzählungen werden Eure Botschaften überdauern." [Quelle]

Ich meine das nicht metaphorisch, sondern ganz dem Satz gemäß. Es sind nicht bloß die Taten übler Menschen, gegen die wir auch später noch prallen und deren Wirkungen wir erleben. Es sind auch die Erzählungen davon, um die wir uns zu scheren haben.

Kürzlich hatte ich eine recht abstruse Debatte mit einem Mann, der überzeugt scheint, daß er mir die letzten Habsburger des Imperiums schönreden muß. Alexander M. schrieb unter anderem: "Du bist meines Erachtens zu streng in der Beurteilung der damaligen Proponenten, weil von Dir dabei deren damaliges Umfeld zuwenig berücksichtigt wird." Man kann unsere kleine Kontroverse hier nachlesen: [link]

Es ist für mich im Grunde entsetzlich, wenn die Enkel der Untertanen sich den einstigen Herren so anbiedern. Die historische Wahrheit handelt ja genauer davon, daß Franz Josef I. und seinesgleichen furchtbare Kanaillen waren, voller Zynismus, Ichbezogenheit und Arroganz. Ein Hort der Anmaßung und der Menschenverachtung. All das in der Überzeugung, "gottgewollt" zu handeln.

Nein, selbst bei größter Rücksicht darauf, daß man in der Betrachtung geschichtlicher Vorgänge sich vor Rückübertragungen hüten muß, ist doch gerade das Katholische, dem sich diese Leute so verpflichtet wähnten, mit einem zeitgemäßen Kriterienapparat ausgestattet, der uns eine Überprüfung ermöglicht.

Sie waren, soweit wir von Entscheidungsträgern sprechen, durch die Bank egoistische, anmaßende, teils erschreckend inkompetente Menschen, auf vielerlei Art nicht qualifiziert, eine so große Firma wie das Haus Habsburg zum Wohle der ganzen Belegschaft zu lenken.

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Franz Josef I. im Jahr 1898

Ich hab hier schon mehrfach erwähnt, daß mich der Jüngling Gavro Princip gerührt hat, da er mit all einer Entschlossenheit ein Imperium herausforderte, wissend, daß er das nicht überleben könne.

Der knabenhafte Mörder, eine schmächtige Erscheinung, aber ein guter Schütze, dem es ohne die brüllende Dummheit des Kommandeurs Oskar Potiorek damals wohl nicht gelungen wäre, auf Franz Ferdinand und dessen Frau zu schießen, weil erst Potioreks Kette von Fehlentscheidungen das Aristokratenpaar dem Attentäter zurechtgestellt hatte, dieser Bursche zeigte bis zu seinem eigenen, qualvollen Tod in der Festung Theresienstadt eine verblüffende Haltung.

Dabei gehört für mich zu den irritierenden Details, daß man an ihm einen Schnittpunkt zum Leben des Franz Ferdinand finden kann. Auch der hatte, was in den üblichen Schilderungen wenig betont wird, eben dieses Imperium herausgefordert. Und zwar ebenfalls aus romantischen Motiven, wenn auch auf ganz andere Art, nämlich in einer für diese Kreise eher unübliche Liebe zu Sophie.

Da aber Sophie Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin nicht als ebenbürtig galt, hatte der kaiser eine Eheschließung untersagt. Um ebenbürtig zu sein, hätte diese oder jene Frau einen Vater haben müssen, der selbst regierte.

Oder sie hätte einem ehemals herrschenden Haus angehören müssen. Es blieb dabei unerheblich, daß Sophie sehr altem Adel entstamte.

Franz Ferdinand hätte unter Prinzeßchen wählen müssen, die ihm durch die Bank zu jung und unansehnlich waren, wie er meinte, "lauter siebzehn- oder achtzehnjährige Piperln", also Küken.

Da war Sophie, wie uns Beschreibungen und Bilder aus der Zeit zeigen, als Frau ein ganz anderes Kaliber.

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Radenko Milak: Franz Ferdinand und Sophie (2014)

Es schien damals völlig unerhört, daß ein Aristokrat vom Range Franz Ferdinands die Staatsräson beiseite schob und die Welt wissen ließ, daß "mein Herz der Gräfin gehört und ewig gehören wird". Allein dafür muß ihn eine im Gehorsam gehärtete Legion von Höflingen gehaßt haben.

Nachdem sich der ursprüngliche Thronfolger, Kronprinz Rudolf, im Jagdschloß von Mayerling samt seiner Geliebten, der Baroness Mary Vetsera, so skandalös aus dem Leben geschafft hatte, erwartete der Monarch, daß Franz Ferdinand sich fügen würde, den Fortbestand des Erzhauses sichern wolle und Sophie entsorgen werde.

Aber der Erzherzog widersetzte sich seinem Onkel, dem sturen Monarchen, ebenso unerschütterlich. Die ausdauernd geführte Kontroverse offenbart alle Kälte, Härte und Selbstbezogenheit der Herren des Erzhauses.

Erst ein Renunziationsakt, in dem Franz Ferdinand für sich, seine Frau und seine Kinder wie deren Nachkommen auf jeglichen Anspruch in der Thronfolge verzichtete, machte den Weg für die Hochzeit frei. Man darf annehmen, daß ihm der Kaiser diese Konfrontation nie verziehen hat.

Man möchte fast sagen, rebellischer hätte ein Throfolger gegenüber dem Monarchen nicht mehr sein können und was Franz Ferdinand durchzusetzen versucht hat, muß Franz Josef ebenso ungeheuerlich vorgekommen sein, wie ein Untertan, der gegen einen Aristokraten eine Waffe hebt. ("Das Thronfolgerecht ist mir von Gott gegeben. Ich beanspruche den thron und werde Sophie heiraten." Quelle: Janko Ferk)

Franz Ferdinand, an dem ich sonst nichts finde, was mich für ihn einnimmt, hatte also bis zur letzten Konsequenz auf seiner Liebe zu Sophie estanden und das Imperium in Unruhe gebracht, denn Österreich, das war nicht das Volk, waren nicht meine Vorfahren. Österreich, das war die Dynastie, das Haus Habsburg, die Familie, deren letzter Kaiser, Karl I., weder als Mann noch als Politiker jemandem zur Zierde gereicht hat.

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Radenko Milak: Charles Chaplin und Gavrilo Princip

Wo bin ich mit meiner Plauderei da nun hingeraten? Romantische Motive und ihr Gewichtsgewinn im Bereich von Realität. Taten und Erzählungen. Narrative. Symbolische Akte. Codes. Das ist ja mein Metier und zugleich mein Leben. Hier also einiges zusammenzuführen und neu zu ordnen, das ist auch der Zweck des Kunstsymposions, welches mir derzeit noch etwas den Schlaf raubt.

"the track: axiom | 2014"
...rückt gerade in greifbare Nähe: [link]

Wir durchmessen das 20. Jahrhundert. Und ich suche einen Zusammenhang herausarbeiten zu können, der sich in folgendem Themen-Ensemble erschließen möge: "Die Ehre des Handwerks, das Gewicht der Kunst, der Geist in der Maschine". (Wir werden eine Auswahl der Arbeiten von Radenko Milak in Gleisdorf zeigen.)

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