11. Oktober 2014

Am 5. Oktober 1914 soll der französische Pilot Joseph Frantz von der Escadrille V24 im Grande Guerre über Reims den ersten Luftkampf der Geschichte ausgefochten haben, was zwei deutsche Flieger das Leben kostete. Das vorige Wochenende hatte also hundert Jahre eher einen Moment für heroische Stoffe in Groschenheften geliefert.

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Hier sieht man Frantz (links) mit seinem Bordmechaniker Louis Quenault. (Foto: G. Garinat, Creative Commons.) Am 11. Oktober, also heute vor hundert Jahren, fiel Antwerpen. Aber wozu erzähle ich das?

Der Große Krieg ist unter meinen Leuten zu keinem Thema geworden, obwohl es kaum Zweifel geben kann, daß seine traumatischen Konsequenzen bis in unsere Gegenwart reichen, mentalitätsgeschichtlich präsent sind. Sehe ich mich in der Region um, waren heuer bewährte Kulturinitiativen vor allem mit sich selbst und mit der Produktion von Ästhtetik beschäftigt. (Auch gut.)

Ich kann mich nicht damit abfinden, daß der damals konstruierte Selbstbetrug bis heute unwidersprochen zelebriert werden darf, aber ich muß es hinnehmen. So steht es zum Beispiel in Gleisdorf -- "Unseren Helden" -- und in ganz Österreich. Grotesk! Was heißt Helden?

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Sie waren das Personal verbrecherische Systeme; in beiden Fällen. Die an sich selbst und der damaligen Gegenwart scheiternde Kamarilla der Habsburger verhalf der Firma ihrer Chefs zum Untergang. Wir leisten uns heute Debatten, ob denn nun Gavrilo Princip ein Terrorist oder ein Freiheitskämpfer sei. (Was macht den Unterschied?)

Daß andrerseits zum Beispiel Friedrich Adler 1916 den österreichischen k.k. Ministerpräsidenten Karl Stürgkh aus politischen Gründen in einem Hotel erschoß, hat in meiner Umgebung bisher zu keiner einzigen Debatte geführt. (Fußnötchen: Er war der Sohn von Victor Adler, dem Gründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei.)

Was mag es an uns bewirkt haben, daß dem Großen Krieg ein weiterer Weltkrieg folgte? Die Kräftespiele jener Zeit machen es plausibel, von einem "Zweiten Dreißigjährigen Krieg" zu sprechen, ebenso folgenreich und desaströs für Europa wie jener von 1618.

Apropos 1618, das läßt mich natürlich an 1918 denken. Die Frage nach dem "Wir" in "Unseren Helden" auf dem heutigen Denkmal in Gleisdorf war damals genau genommen so angelegt: "Artikel 2.: Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik. Besondere Gesetze regeln die Teilnahme Deutschösterreichs an der Gesetzgebung und Verwaltung der Deutschen Republik… "

Wer also waren wir, auf "Unsere Helden" blickend?

So stand es jedenfalls im „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich.“ vom 12. November 1918. Das heißt, die österreichische Verfassung negierte schon im zweiten Artikel den Staat Österreich. (Am 9. November 1918 war von unseren Nachbarn jene Deutsche Republik ausgerufen worden, die wir heute als Weimarer Republik kennen und an die sich unsere Leute damals schmiegten.)

Wir haben viel Erfahrung mit der Heuchelei, dem Selbstbetrug und der nutzbringenden Lüge. Warum sollten wir derlei anno 2014 in öffentlichen Diskursen reflektieren? Putin, Moslems, ein zu warmer Herbst etc., meine Leute sind offenbar mit brisanten Themen ausgelastet.

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Ich bin im Augenblick noch etwas ratlos, was das für diese Gegenwart und unser Tun bedeutet. Pragmatisch gesehen: Momentan beschäftigt uns der Aufbau einer komplexen Arbeit von Jelena Juresa. Auf diese Arbeit der serbischen Künstlerin bezieht sich bei der Eröffnung dann der bosnische Dichter Muhidin Saric. (Unmittelbar davor halten wir eine regionale Kulturkonferenz ab.)

"MIRA, Study for a Portrait" thematisiert ein Frauenleben mit einem sehr europäischen Ausgangspunkt. Miras Eltern, David und Minka, verknüpften ihre jüdischen und ihre muslimischen Wurzeln in einem Bosnien vor dem Zweiten Weltkrieg, für das sie beide dann in einer Partisanen-Armee einstanden.... [link]

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Damit komme ich in den letzten Abschnitt unsere heurigen Kunstsymposions. Die "Kulturspange" tritt nun stärker nach außen. Schlußakzent des Symposions ist eine Konferenz bei unseren Kooperationspartnern in Bad Mitterndorf, beim "Netzwerk Salzkammergut". Siehe dazu den ersten Folder: [link] Aber davor tagen wir in etwa zehn Tagen noch in Gleisdorf. Siehe dazu alle Konferenzen: [link]

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