27. Dezember 2014

Die Nacht, die Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, ist mir die liebste Zeit, wenn ich eine Strecke zu machen hab. Das sind dann antiquierte Verhältnisse. So ungestört durch die Dunkelheit zu schneiden, den Lichtern nachzugehen, Platz zu haben, das läßt der Tag nicht mehr zu.

log254a.jpg (13633 Byte)

Das ist ein verwehendes, vergehendes Szenario. Die Kosten dafür schrauben sich Jahr für Jahr hinauf und der Platz auf den Straßen wird immer enger. Da endet also gerade eine Epoche. Ich grabe in Archiven, blättere in alten Journalen, wälze Bücher.

log254b.jpg (17742 Byte)

In den ersten Jahren und Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wandte sich einschlägige Werbung ausschließlich an wohlhabende Leute, weshalb für die Inserate vielfach versierte Grafiker engagiert wurden. Entsprechend ließe sich mit den Blättern eine feine Ausstellung gestalten.

Dürkopp war bei uns ursprünglich mit Nähmaschinen auf dem Markt. Später kamen die Bielefelder mit Fahrrädern und dann mit Autos an. Im Jahr 1894 waren sich die Deutschen mit Johann Puch über gemeinsame Geschäfte einig geworden [link] und so auch in Graz präsent.

Was sind das für Prozesse und Kräftespiele, die uns in diese Gegenwart geschafft haben? Woher kamen und kommen die Mittel, um solche Betriebe aufzustellen? Bei all dem aber ganz wesentlich: Wie kamen Massenproduktion und Massenkonsum in Deckung?

Wir ahnen, daß ein hartgesottener Kapitalismus uns in diese Verhältnisse gehebelt hat. Aber erst in diesen Verläufen bekamen Leute wie ich Schuhe an die Füße, die Wasserleitung vom Hof ins Haus und schließlich auch Zeit, um Bücher zu lesen.

log254c.jpg (11573 Byte)

1922

Ich hab heute die Freiheit, mich in jedes beliebige Thema zu schmeißen und rauszutragen, was mir angemessen erscheint. Es gibt zwar auch heute Leute, von denen ich weiß, daß sie mich gerne abschaffen ließen, aber das spielt keine Rolle, weil es nicht machbar ist.

Unterm Kaiser war das etwas anders gelagert. Die Staatsanwaltschaft sah sich gelegentlich veranlaßt, ein Blatt zu löschen. Unter den Nazi wurden gleich die gemeinten Personen selbst gelöscht.

Das habe ich übrigens gerade in einer Nacht mit gutem Wein, in erfreulicher Gesellschaft von geistreichen Menschen, etwas durchleuchtet. Es ist ja nicht allen Menschen naheliegend, etwa Jugoslawien eine Militärdiktatur zu nennen. Tito wird heute mit allerhand romantischer Verklärung verwöhnt.

Wir mußten offenbar alle durch solche Phasen, in denen sich jemand vom Sohn der Völker zum Vater der Nation aufschwang, auf daß wir uns um solche Kanaillen scharten. Das "Wir" ist ein brisantes Thema.

log254d.jpg (8722 Byte)

1908

Wo wir leben, spielten Revolutionen keine erwähnenswerte Rolle. Die großen Dynastien mußten sich jeweils selbst abschaffen, mußten an ihrer wachsenden Inkompetenz scheitern, um zu versinken. Die Osmanen zogen sich vom Balkan zurück, wo ihnen autochthone Völker zu hart zusetzen, als daß sie ihre ursprüngliche Expansion noch aufrecht halten wollten.

Habsburger und Hohenzollern hatten sich mit ihren Kolonial-Konzepten völlig überschätzt und schossen sich selbst aus der Geschichte, schickten dazu aber Millionen Menschen ins Grab. Von den herrischen Vaterfiguren mochten wir uns noch nicht so schnell verabschieden...

log254e.jpg (22654 Byte)

Carlo Egler, 1923

[kontakt] [reset] [krusche]
52•14