12. Jänner 2015

Der Montag danach und nun wissen wir wenigstens aktuell, bis wohin der Boulevard reicht. Im Magazin profil konnten die Leute nicht an sich halten und wuchteten die Ermordung des Polizisten auf ihr Cover. Muß ich einen Mann, der eben seinen Tod kommen sieht, auf dem Cover sehen, damit ich verstehe, was sich derzeit tut? Sicher nicht! Ist das eine notwendige Information? Mumpitz!

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Es ist eine völlig unnötige, aber einträglich Übung, den Voyeurismus zu bedienen. Und es ist ein Problem. Eben so ein Covermotiv, x-tausendfach publiziert, zählt zu den Zielen der Mörder. Die noch lebenden Dschihadis müssen sich naß gemacht haben, als sie über diesen PR-Erfolg ihrer Weltuntergangs-Sekte in Gelächter ausbrachen.

Genau so ein Cover ist der blanke Arsch, den uns die Mörder hinhalten. Das Blatt wischt ihn auch noch ab, bringt ihn uns ins Haus. Dabei hat ein Teil der profil-Redaktion ihnen die Hosen gehalten, ein anderer Teil die Kalaschnikows, bis sich die Typen wieder einkriegen und adjustieren. Genau solche PR-Erfolge, diese Art der Sichtbarkeit in den Massenmedien, hilft beim Rekrutieren neuer Mörder.

Ich brauche das den profil-Leuten nicht zuzurufen, denn die wissen das natürlich und werden uns demnächst mutmaßlich mit diversen Abwägungen, mit allerhand Argumenten verwöhnen. Es könnte dazu Glückwunschpostkarten aus den Schreibstübchen der mörderischen Subkulturen geben. "Danke profil!" "Merci!" "Shukran!"

So ist das journalistische Personal den Toten von Paris und Vincennes in den Rücken gefallen. (Ob profil den Angehörigen des ermordeten Polizisten Prozente an diesem Geschäftchen zukommen läßt, um ihnen wenigstens diese Art der Werknutzung abzuzgelten?)

Ich habe inzwischen allerhand politisches Karaoke vernommen. Sicherheitsmaßnahmen! Mehr! Öfter! Höher! Augenauswischerei! Auch das hieße ja, das Werk der Mörder weiterführen. Wir wissen seit Stammheim, daß Terroristen auf solche Arten bestehende Regime erschüttern und die staatlichen Ausgaben in die Höhe treiben möchten, um jene Gesellschaft zu erschüttern, die ihnen unliebsam ist.

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(Quelle: Der Standard)

Deshalb zeigt sich auch die stärkste aller Waffen gegen solche Formationen in einer stabilen Gesellschaft, die ihr Bürgerrechte kennt, in ihrem Selbstverständnis halbwegs klar ist und alle denkbaren Mittel nutzt, um sozialen Frieden zu gewährleisten.

Haben wir das momentan auch nur einigermaßen zu bieten? Ich fürchte nein. Im Standard vom vorigen Samstag war zu lesen, daß die Hälfte der Befragten derzeit Österreichs Kultur durch den Islam gefährdet sähe: [Quelle] Österreichs Kultur? Durch "den Islam"? Wie denn? Wodurch genau?

So wenig trauen wir also unserer Kultur zu? So wenig wissen wir, wer wir sind, was das bedeutet und was das kann? Genau das macht mir weit mehr Sorgen als die paar großspurigen Kanaillen mit ihrem selbstverliebten Gerede.

Ich lese in diesem Bericht: "Die Hälfte der österreichischen Wahlberechtigten geht davon aus, dass der Islam bestrebt sei, die österreichische Gesellschaft zu verändern – und ebenfalls jeder Zweite sieht im Islam eine Gefahr für die österreichische Kultur." [Quelle]

Ein weiterer Hinweis, was wir tun können, zu tun haben. Es sollte klar sein, daß eine Demokratie nicht zum Polizeistaat hochgerüstet werden kann und soll. Was also schützt die exponierten Menschen zu allererst und schließlich uns alle? Na, vor allem, eine starke und selbstbewußte Zivilgesellschaft. Eine Kultur, die selbst in ruhigen Zeiten keinen "Krieg der Worte" zuläßt, durch den Mitmenschen zu "Gegenmenschen" umgedeutet werden.

Es ist immer so ein "Krieg der Worte", durch den wir Hinweise erhalten, wo es die nächsten Toten geben könnte. Solche Diskurse plus ihre massenmediale Verbreitung zu unterbinden verlangt nicht bloß Selbstbewußtsein, auch eine kulturell kraftvoll ausgestattete Identität, das verlangt... Bildung!

Wo Menschen keine Zugänge zu Bildung erhalten, sie gar nicht erst suchen, damit verläßlich auf soziale Marginalisierung zusteuern, ereignet sich recht bald eine Hochrüstung der Debatten. Wie zum Beispiel Frankreichs vormaliger Präsident Sarkozy vor etwa einem Jahrzehnt angesichts brennender Banlieues demonstrierte, erreicht solcher "Krieg der Worte" früher oder später auch gebildete Schichten, die politische Führung.

Ob französische Vorstädte, das spanische Baskenland, Nordirland oder Teile des Kosovo, ob Lebensräume der Roma und Sinti in Ungarn, Italien, Rumänien, Serbien, wo der "Krieg der Worte" sogar die Eliten erreicht, sind die ersten Toten nicht mehr fern.

Ob das ferne Ruanda oder das nahe Jugoslawien, immer wurden die kommenden Taten in Reden, Rundfunksendungen und Journalen formuliert, schließlich begangen. Niemand von uns kann sagen, er oder sie wüßte nicht, wie sowas geht...

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