6. Dezember 2015

"Wir erlauben den Maschinen, zu überprüfen, ob wir Mensch oder Maschine sind." Damit leitet Techniker Ewald Ulrich gerne Erörterungen ein, wenn es um eine realistische Auffassung geht, wo die Entwicklung der Mensch-Maschinen-Interaktion inzwischen angekommen sei.

log2174a.jpg (8417 Byte)

Der genannte Vorgang, ein Hauch von Turing-Test, ist im Netz allgegenwärtig. Um einen bestimmten Vorgang auszulösen, muß ich ein Captcha ausfüllen. Das bedeutet, einen vom System vorgegebenen Code eintippen. So checkt das System, ob ich ein Mensch bin und nicht ein anderes System, das einen Menschen simuliert.

Meine teils kontroversiellen Debatten mit Ulrich haben uns in das Projekt "Fiat Lux" geführt. Da arbeiten wir an einer Art Erfahrungsraum für das Ausloten vor allem emotionaler Momente der Mensch-Maschinen-Interaktion: [link]

log2174b.jpg (25906 Byte)

IN TRAGENDER ROLLE: UNTERNEHMER EWALD ULRICH

Es ist ein selbststeuerndes Maschinchen. Damit kurven wir im Vorgarten der aktuellen Entwicklungen herum. Das größere Ziel sind selbstlernende Systeme. Dahinter schillert die Idee von der Maschine, die sich ihrer selbst bewußt wird. Für manche bloß Science Fiction, für Ulrich und andere Profis etwas Kommendes.

All das handelt von der Vorstellung, daß sich aus toter Materie Geist entwickeln könne. Damit möchten Sie lieber nichts zu tun haben? Ah ja. Falls Sie das Suchsystem Google nutzen, stehen Sie freilich mitten in dieser Entwicklung.

Google kauft seit wenigstens zwei Jahren mit enormem Mitteleinsatz Robotik- und KI-Firmen. Maschinen sollen das eigenständige Lernen erlernen; um es mit Kant zu sagen: ohne Leitung eines anderen. ("Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.")

Es liegt also nahe, daß Google gesamt zu einer Künstlichen Intelligenz (KI) entwickelt werden soll. Das korrespondiert mit den Debatten über Industrie 4.0, die vierte Industrielle Revolution und das Internet der Dinge. Schon gehört? Nein? Na, es wird sich bestimmt noch bei Ihnen bemerkbar machen.

Gegenüber dem gestern erwähnten alten Roboter-Genre "3D" (dirty, dangerous, dull work) sind wir längst in ganz anderen Gewässern angekommen. Zur eben verwendeten Metapher: Die Kybernetik leitet sich begrifflich vom Kybernetes ab, dem altgriechischen Wort für Steuermarnn.

log2174c.jpg (23184 Byte)

INVOLVIERT: KÜNSTLER NIKI PASSATH

Was heute absehbar scheint, wurde eben (am 3.12.2015) in Der Standard so überschreiben: "45 Prozent der heutigen Jobs durch Roboter bedroht": [link]  Bedroht? Das scheint mir diskussionswürdig. Haben die Traktoren der Nachkriegszeit eine Legion Mahder bedroht, die davor auf endlosen Feldern das Mähen von Hand leisten mußten?

Hat sich meine Großmutter beschwert, als endlich eine Waschmaschine gekauft werden konnte, worauf sie nicht mehr über dem beheizten Kessel in der Waschküche schuften mußte? Übrigens, in den späten 1950er Jahren kostete ein Waschvollautomat etwa gleich viel wie ein Puch-Auto.

Im genannten Artikel heißt es: "Der Analyse zufolge weisen in der Bundesrepublik mehr als 300 und damit ein Viertel aller Jobprofile in den nächsten beiden Jahrzehnten ein hohes Automatisierungsrisiko auf."

Sie haben gewiß schon so manche Perle des Menschengeschlechts lauthals verkünden gehört: "Wer arbeiten möchte, findet auch einen Job." Diese Art sozialromantischer Blödheit kann man sich inzwischen sonst wo hinstecken. Das ist voriges Jahrhundert.

Wir hatten es in der Ära Industrie 2.0 nicht geschafft, den Companies politisch eine adäquate Maschinensteuer aufzuerlegen, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen, wo Automatisierung Arbeitsplätze gefressen hat, denn die Menschen müssen ja essen.

log2174d.jpg (21543 Byte)

FIAT LUX (WIGL-DESIGN)

Industrie 3.0 hatte diese Probleme mit der Automatisierung noch vertieft, verschärft. Inzwischen kennt man quer durch Europa Working Poor, also Menschen, die mit dem Einkommen aus allein einem Job wirtschaftlich nicht mehr überleben können. Dennoch dauerte es eine Ewigkeit und drei Tage, um in der Frage Mindesteinkommen brauchbare Zwischenergebnisse zu schaffen.

Wie sich nun Industrie 4.0 entwickelt, wird die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen neu zu führen sein. In der oben genannten Quelle lese ich: "Die Berechnungen, die A. T. Kearney nach eigenen Angaben in Anlehnung an die Forschungsarbeiten der Oxford- Professoren Carl Benedikt Frey und Michael Osborne für den deutschen Arbeitsmarkt durchgeführt hat, bestimmen, wie wahrscheinlich die Automatisierung in rund 1300 Berufen ist."

All das bedeutet, daß wir in Zukunft noch mehr Tätigkeiten, die bisher den Menschen vorbehalten waren, an Maschinensysteme abgeben. Soll sein und wird so kommen. Demnach muß unsere Vorstellung von Broterwerb und Erwerbstätigkeit in die Gegenwart gehievt werden.

Wir müssen neu klären, wofür man Lohn erhält, womit man sein Brot verdient. Wir müssen neu klären, was wir unter Arbeit verstehen.

Nun wird vielen noch nicht vertraut klingen, was denn in den Begriff Industrie 4.0 gepackt wurde. Ich werde es noch näher erläutern. Vorab in Stichworten: Wir blicken derzeit auf vier industrielle Revolutionen. Die Mechanisierung, die Automatisierung, die Digitale Revolution und die Vernetzung zum Internet der Dinge.

Wie das gegenwärtig zusammenhängt, fasse ich in unserem Teilbereich "In der Ebene" im Projektabschnitt "Konvergenz" zusammen, denn da haben wir die nächsten Jahre reichlich zu tun.

-- [In der Ebene] --

[kontakt] [reset] [krusche]
49•15