17. März 2016

Blues had a Baby. They named it Rock and Roll. So der Titel eines Songs, den Muddy Waters auf dem Album Hard Again singt. Die Kerle haben damals nicht viel herumgeredet. Nur das Nötigste.

Otis Redding said it, you know the blues got a soul
Queen Victoria said it, you know the blues got a soul
Well the blues had a baby and they named the baby Rock & Roll

Die Platte stammt aus dem Jahr 1977, jenem Jahr, da ich meinen Job als Buchhändler geschmissen hab, denn ich wollte fortan als Künstler leben. So war das gedacht. So kam es.

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Ich hatte gestern mit Sir Oliver Mally zu bereden, wie wir nun ein paar weitere Schritte gemeinsam setzen wollen. Da wir nicht im Unterhaltungsgeschäft tätig sind, sondern beide den Beruf mit dem eigenen Leben aufgewogen haben, gibt es dazu keine Standardprozedur.

Das alles hat ja andere Konsequenzen als wenn man jeden Montag schwer aus dem Bett käme, um vom ankommenden Freitag zu träumen. Diese Eigenwilligkeit zeigt sich dann auch als eine bestimmte Erzählweise.

Wir werden das in der zweiten Aprilhälfte verknüpfen. um zu überprüfen, was solche Erzählweisen taugen, wenn wir sie in Resonanz bringen. So ist das gedacht, da wir "In der Ebene" anstimmen. Eine neue Verschwörung der Poeten.

-- [21.4.2016] --

Ich hatte den vorigen Abschnitt meines Langzeitprojektes, da ich auf diesem Weg schon im zweiten Jahrzehnt angekommen bin, "The Track: Pop" betitelt: [link] Es gibt im Rückblick auf dieses Thema noch einigen Klärungsbedarf, doch wenig Unklarheit.

Wir sind beide Kinder einer Populärkultur, die uns angeboten hat, entweder an den Haken der Unterhalungsindustrie zu gehen, oder jene Gebiete zu untersuchen, wo sie Mauern eingerissen hat, Zugänge geschaffen, über die eine außergewöhnliche Selbstermächtigung möglich war.

Wir mußten freilich selbst wählen. Verlockungen gab es da wie dort. Nuancen. So war zum Beispiel Elvis für mich nie "Der King". Wäre er schwarz gewesen, hätte man ihn aus meinem Lager sicher Onkel Tom gerufen. Aber das ist vielleicht auch bloß Ausdruck einer Dünkelhaftigkeit.

Pop, Massenkultur, Geld und Gängelung. Klar, als sich unsere Leute für Fürsten krumm schinden durften, brauchten sie viele Entscheidungen nicht zu erwägen, sondern mußten nur sehen, daß sie genug zu fressen hatten.

Es gab bestenfalls ab und zu eine Hunger-Revolte, aber zu Revolutionen haben unsere Leute nie tendiert. Wer hätte schon mit Sensen und Dreschflegeln, mit Messern und Steinen gegen Panzerreiter angehen wollen? Das hat hierzulande keine Schule gemacht.

Reformen von oben. Devot gegen die Tyrannis. Das ist ein Teil der Geschichte und der Geschichten. Was sich derzeit durchsetzen wird, bleibt herauszufinden. Die Anforderungen sind interessant.

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Ich habe meine Session mit Mally in eine Reihe von Abenden gesetzt, die einigen Klärungen gewidmet sind. Den Auftakt hat uns Chris Scheuer geboten, ein exzellenter Zeichner und Liebhaber adäquater Gitarren: [link]

Dann ging es mit der generellen Themenstellung "Handfertigkeit und Poesie" auf das Terrain von Industriearbeitern. Mit Manfred Haslinger (unten rechts) und Fredi Thaler bin ich der Frage nach der "Ehre des Handwerks" nachgegangen: [link]

Es geht um den Blick auf die gemeinsamen Quellen, aus denen wir schöpfen, wenn gearbeitet wird. In einer Kultur der Domestiken werden Dinge und Themen gerne hierarchisch angeordnet und dazu mit scharfen Trennlinien umgeben. Das ist sehr störend.

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Es gibt gute Gründe, solchen Modi zu mißtrauen. Es ist ja gerade die Erfahrung, in einer Popkultur aufgewachsen zu sein, die uns dafür wach gemacht hat, daß uns Zuschreibungen wie "Schmutz und Schund" oder "E und U" nicht zusagen müssen.

Ich hab in eben diesen Zusammenhängen gerade wider angefangen, mich dem Thema Volksmusik zuzuwenden. Hier der Auftakt: [link] Da war in all den Jahrzehnten stets betuliches Personal eines aufstiegsorientierten Bildungsbürgertums, das uns in genau solchen Fragen mit Ausdauer hinters Licht geführt hat.

Selbstverständlich hätten wir auch in alpenländischer Volksmusik all das finden können, was uns schließlich der Blues bot. Unverblümte Schilderungen des Lebens trotz harten Arbeit, der Konflikte mit der Obrigkeit, der Sehnsüchte und der Leidenschaften, des Begehrens.

Was wird denn etwa Nina Simone gemeint haben, wenn sie sang "I Want A Little Sugar In My Bowl"? Was meinte Muddy Waters wohl mit: "Well I'm a king bee, baby / Buzzing around your hive / Yeah I can make honey baby / Let me come inside"?

Klar kommt all das auch in unseren Volksmusiken vor. Die wurden uns bloß unterschlagen, vorenthalten, durch Surrogate ersetzt. Diese Ersatzstoffe wurden dann auch von Dreck und Schweißgeruch gesäubert: "Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. / Er setzt seine Felder und Wiesen in Stand."

Und so viel ist ja klar, die haben es dann unter den Linden nicht miteinander getrieben: "Kein schöner Land in dieser Zeit, / als hier das unsre weit und breit, / wo wir uns finden wohl unter Linden zur Aaaaabendzeit..." Die wußten vermutlich noch nicht einmal, wo eigentlich die kleinen Kinder herkommen.

Ein Leben im Simulakrum? Warum? Wozu? Da besteht neuerdings wieder einiger Klärungsbedarf.

-- [Konvergenz: Pop] --

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