11. Oktober 2017

Auf den Sozialismus bin ich als junger Mensch nicht durch die Schriften von Marx aufmerksam geworden, sondern durch Schilderungen des Spanischen Bürgerkrieges. Meine Herkunftsfamilie war durch den Zweiten Weltkrieg deutlich gezeichnet, Einerseits durch Täterschaft, andrerseits durch Schlachtfelderfahrungen, beides im Dienste der Tyrannis. Ich war daher entsprechend beeindruckt, daß Menschen aus freien Stücken in den Krieg gezogen sind, überdies für eine Republik und gegen den Faschismus.

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Gefechtsstand des Etkar André Bataillons
(Creative Commons, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst)

Danach waren es zwei Männer, die mir in Sachen Sozialdemokratie auffielen. Erstens Koloman Wallisch, dessen Frau Paula Wallisch eine Straße nahe dem Grazer Johann Puch Museum gewidmet ist. Er hat es in der Obersteiermark auf zwei Gassen und zwei Plätze gebracht, aber auch zu einigen Zeilen von Bert Brecht, wie etwa: "Im Februar vierunddreißig / Der Menschlichkeit zum Hohn / Hängten sie den Kämpfer / Gegen Hunger und Fron / Koloman Wallisch / Zimmermannssohn.“

Außerdem zählte der Nationalratsabgeordnete Rupert Gmoser, von dem mein Vater stets als Ruperl sprach, zu den markanten politischen Erscheinungen meiner Kindertage. Das als kleine Skizze dessen, was für mich Sozi bedeutete, von welcher Wahrnehmung dieser Beghriff bestimmt war, während mich die Sozialpartnerschaft wenig beeindruckte.

Solche Bilder waren für mich später durchwoben vom Staunen über die Tatsache, daß wir in Österreich zwar debattieren konnten, ob denn nun Gavro Princip bloß ein Mörder oder doch auch ein Freiheitskämpfer sei, aber Friedrich Adler, der Sohn von Victor Adler, konnte Ministerpräsident Stürckh erschießen, ohne eine vergleichbare Debatte auszulösen.

So ein Umweg, um auf die lokalen Momente des aktuellen Nationalratswahlkampfes zu kommen. Ich brauche den Kontrast, um deutlich zu machen, wie sehr mich die Sozialdemokratie vor Ort erstaunt. Ich hätte ohnehin nicht erwartet, daß man hier noch an historische Dimensionen anrührt, zumal die Oststeiermark politisch von den Christlichsozialen dominiert wird. Was bleibt einem da übrig, als nett zu sein?

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Dabei war es nicht die Landwirtschaft, von der diese Region wohlhabend wurde, es ist nicht die agrarische Welt, der wir hier annähernd Vollbeschäftigung verdanken. Das kam natürlich durch die stellenweise Industrialisierung der Region. Genau in diesem Zusammenhang sind nun ganz neue Aufgabenstellungen für die Politik entstanden, da uns in nächsten Automatisierungswellen das Ende der Massenbeschäftigung, wie wir sie kennen, bevorsteht.

Angesichts der Vierten Industriellen Revolution, die schon begonnen hat, bietet mir ein Flugblatt der SPÖ eine sehr allgemein gehaltene Skizze der landesüblichen Sorgen, frei von Visionen, wobei Vizebürgermeister Reinhard Hofer sinniert, was der Mittelstand sei. Dazu die Überlegung: "Familien sind von vorhinein (sic!) gezwungen, dass beide Partner arbeiten gehen...", was nicht gerade eine fundierte Kenntnis unserer Sozialgeschichte verrät. Hab ich hier einen Flyer der ÖVP erwischt? Nein. Und wie die FPÖ-Granden, so orakelt auch Hofer, ob denn Gleisdorfs Bürgermeister zugleich Parlamentarier sein könne.

Ein Null-Thema angesichts der Umbrüche Europas, für die sich unsere Bundespolitik gerüstet zeigen sollte. Das ist alles bloß Karaoke, zuzüglich einer knapp gefaßten Einladung zur Jahreshauptversammlung der SPÖ Gleisdorf. Die zweite Seite des Flugblattes ziert zur Hälfte ein SP-Inserat mit dem Slogan "Für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Sicherheit." No na! möchte man brüllen, was sonst?

Darunter die Botschaft einer Lokalpolitikerin: "Ich habe mich als Kandidatin für den Nationalrat beworben, da ich schon immer für die Menschen einstehen und das Beste für sie herausholen wollte." Derlei "Da ich schon immer-Sätze" habe ich bereits im Kulturbetrieb als Ansagen kennengelernt, die mich zum sofortigen Abschalten meiner Aufmerksamkeit bewegen, denn diese Art der Selbstüberhöhung verschleiert. Dieses Gerede von der langen Dauer ("schon immer") ist pure Floskelwirtschaft.

Welcher Akzent ließe sich in der jüngeren Vergangenheit beleuchten, mit dem die Sozialdemokratie regional als relevante Kraft bemerkbar gewesen wäre? Im Kulturbereich waren einst wenigstens Elin-Hackler wie Albin Schrey oder Walter Supper recht exponiert. In der Bezirkshauptstadt Weiz scheint mir eine Persönlichkeit im Rang von Richard Kratochwill so gut wie vergessen und ein Polit-Hooligan wie Christian Faul durfte als Kulturreferent Schneisen der Ödnis schlagen. Diese Gegenwart der SP läßt mich ziemlich ratlos.

-- [Kunstsymposion: Politik] --

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