19. November 2017

Künstler Milan Mijalkovic hatte sich vorgenommen, an diesem Abend in Frage zu stellen, was wir für Demokratie halten. Das geschah nicht bloß in Worten. Natürlich haben wir gestutzt, als Arigona den Raum betrat, so schwarz gekleidet, wie die Witwe im Film „Alexis Sorbas", bevor ihr ein eifersüchtiger Inselgrieche die Kehle durchschneidet. Natürlich hat ihr in unserer Mitte nichts gedroht, soweit es scharf geschliffene Gegenstände betrifft. Andere Ungelegenheiten saßen freilich locker.

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Was wir an Arigona gesehen haben, war keine Burka. Die schwarze Abaya, das Überkleid, hätte für sich vermutlich kaum besondere Aufmerksamkeit erregt. Diese Kleidungsstück unterscheidet sich übrigens kaum von dem, was in Österreich manche Ordensleute tragen, Männer wie Frauen.

Der Hidschab, das schwarze Kopftuch, ist da schon anders gestrickt, hat heute eine spezielle Signalwirkung. Aber wie wir von so mancher Devianztheorie wissen, entsteht solche Wirkung oft durch Zuschreibung von außen und nicht durch die Intention des betroffenen Menschen, hier also der Frau.

Unsere Großmütter, die auch schwarze und andere Kopftücher trugen, wollte einst niemand von diesem Kleidungsstück befreien, um das Leben dieser Frauen zu verbessern. Möchte man sich um das Wohlbefinden österreichischer Frauen ganz generell so konsequent engagieren, wie es der Eifer rund um die Kopfbedeckungen muslimischer Freuen für möglich erscheinen ließe, wir gingen spannenden Zeiten entgegen.

Wer einer Muslimin nicht gerade whabitische Propaganda unterstellt, wird das Kopftuch wohl weder als Wetterschutz noch als Sichtschutz ohne weiteres anfechten können. Als modisches Accessoir steht es ohnehin außer Streit, ist aber bei uns merklich aus der Mode gekommen, was vielleicht an der sensationellen Weiterentwicklung von Haarsprays liegt oder schlicht den üblichen Konjunkturen der Modewelt unterliegt.

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Was im Lande als „Kopftuchpflicht" kritische debattiert wird, vor allem, wo es kleine Mädchen betreffen mag, ist vermutlich einem immer noch laufenden Diskurs unterworfen, dessen Stand mir derzeit nicht geläufig ist. In der Sache warte ich noch ab, welche Ansichten sich in den Frauenbewegungen durchsetzen, denn mir fehlt die Ambition, das dringlicher zu behandeln, als die Frauen es hierzulande tun.

Allerdings ist mir bei den laufenden Diskursen das angewandte Referenzsystem nicht ganz klar, in dem sich zumindest deutlich machen lassen müßte, warum etwa eine Krawatte ideologisch weniger kontaminiert sei als ein Kopftuch.

Immerhin hat die Krawatte überhaupt keinen praktisch Nutzen, außer jemand wurde gerade angeschossen oder hatte einen Verkehrsunfall, und beherzte Zeugen wollen ein Blutgefäß abbinden. Die Krawatte ist pure Ideologie plus etwas Mode.

Doch zurück zu Arigona. Das eigentlich Provokante an ihrer Gewandung ist natürlich der Niqab, jener Gesichtsschleier, den einst Nomadenfrauen trugen, um in ihrem angestammten Lebensraum gegen Sand und Sonne geschützt zu sein. Diese Funktion wurde offenbar in etwas anderes übersetzt.

Auch hierzu fällt mir ein, wie sehr sich viele Frauen quasi unkenntlich machen, indem sie komplexes Makeup einsetzen. Bei prominenten Frauen ist es eine beliebte Übung, sie in den Gazetten mit und ohne Makeup zu zeigen, was deutlich macht, daß es um Maskierungen geht, von denen der Gesichtsschleier eigentlich bloß eine recht simple Version ist.

Die Unart, prominente Gesichter für Magazin-Cover per Photoshop bis zur nächsten Kenntnlichkeit zu entstellen, rührt diesen Themenkomplex ebenfalls an, weshalb der Gesichtsschleier eigentlich auf größere Zusammenhänge der Manipulation von Gesichtern verweisen könnte.

Ich habe an Tuareg einige Male beobachten können, wie schön die geübten Gesten sind, mit denen sie bei Bedarf ihr Gesicht mit einem Stück des Tuches, das sie tragen, verhüllen, oder es auch wieder freimachen. Wir hatten einige Male einen Targi in unserer Gegend zu Gast, an dem man das sehen konnten, wenn er traditionell gekleidet war.

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Ein interessantes Thema, das man noch um die historische Nutzung von Fächern erweitern könnte, welche beispielsweise im alten Spanien ganz anders verwendet wurden als im alten Japan, aber auch bei uns Tradition hatten; natürlich um das Gesicht teilweise oder ganz zu bedecken.

Wenn ich es recht verstanden hab, faßt die Burka all die verhüllenden Segmente zusammen: Abaya, Hidschab und Niqab. In vergleichbarer Vollverkleidung (plus verglaster Zone um die Augen) würde man bei uns wohl nur Feuerwehrmänner sehen, wenn sie in schweren Brandschutz gewickelt sind. Aber eine Burka haben wir ja nicht zu sehen bekommen, sondern eine Frau, die nach Beduinen-Art verhüllt war und uns an diesem Abend einiges zu Denken aufgab.

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