15. Februar 2018

Das System, Die Systemmedien, Die Systemzeit. Woran erinnert diese Sprachregelung? Als Nationalsozialisten noch illegal waren, standen sie dem Austrofaschismus unter Dollfuß gegenüber, dem „System", also der amtierenden Regierung. (Die deutsche Entsprechung für Das System war die Weimarer Regierung.) Im politischen Diskurs ist das eine simple Variante von Selbstdefinition durch Feindmarkierung: "Wir, die guten Kräfte, denen die Zukunft gehört, stehen dem verrotteten System gegenüber, an dem der Staat leidet, das Volk ohnehin."

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Quelle: Der Standard

Wir brauchen bezüglich der Sprachregelung Systemmedien nicht zu spekulieren. Victor Klemperer hat in seinem "Notizbuch eines Philologen" über die "Lingua Tertii Imperii" 1947 die historischen Zusammenhänge dargelegt. Das alleine müßte einem Repräsentanten der Republik Österreich a) geläufig sein und ihn b) solche Wortgebrauch meiden lassen. Wenn er es damit anders hält, ist das Absicht.

Um so irritierender erscheint mir, wenn Vizekanzler Strache einerseits der aktuellen Regierung angehört, nach dieser Sprachlogik also: dem System, andererseits jene Medien, deren kritische Berichterstattung ihm mißfällt, als Systemmedien desavouiert.

Das bedeutet ferner, einer der momentan ranghöchsten Politiker Österreichs spricht sich offen gegen einen wichtigen Aspekt der Gewaltentrennung aus, gegen eine Grundlage der Demokratie. Im Kern sind Legislative (gesetzgebende Gewalt), Judikative (Recht sprechende Gewalt) und Exekutive (ausführende Gewalt) bei uns zu Zwecken der Machtbalance und der gegenseitigen Kontrolle getrennt.

Es hat sich zusätzlich seit dem 19. Jahrhundert bewährt, dieses Ensemble um eine Vierte Gewalt zu ergänzen, man könnte sagen: die publikative Gewalt. Das meint Bereiche der Medienwelt, vor allem wo sie von einem kritischen Journalismus geprägt ist. Wenn der Demokratie in ihrer Praxis so manche Schwächen attestiert werden müssen, ist dieses Metier unverzichtbar und müßte prinzipiell von der Politik vorbehaltlos begrüßt werden.

Nun gehört also Strache der amtierenden, um nicht zu sagen: herrschenden Regierung an, wie erwähnt: dem System. Er agiert aber, als wäre die Vierte Gewalt bei uns keine freie Presse, sondern das Werkzeug einer autokratischen Staatsmacht, demnach ein verwerflicher Teil im Duett „System & Systempresse". Eine völlig abstruse Konstruktion, um eine ihm unliebsame Berichterstattung zu diskreditieren.

Dazu paßt, was Klaus Knittelfelder und Evelyn Peternel kürzlich im Kurier dargelegt haben. „An die fünfzig PR-Profis in 14 Ministerien und zwei Staatssekretariaten kümmern sich um einen maximal friedvollen Auftritt der Regierung – und der läuft im höchsten Maße kontrolliert und gleichgeschaltet ab." [Quelle]

Es wird also unter Verwendung öffentlicher Mittel eine intensiver Form von "Message Control" der Regierenden betrieben, was mir nicht gerade vertrauenserweckend erscheint. Wer sich abseits so streng kontrollierter Sphären im Medienbericht hervortut, muß damit rechnen, vom politischen Personal der Republik angegriffen, notfalls sogar verleumdet zu werden.

Nach außen Angriffslust gegenüber einem kritischen Journalismus, nach innen strenge Räson: "Die Kontrolle in der Kommunikation hat eine neue Dimension erreicht", sagt Politikberater Thomas Hofer. "Die Minister entscheiden nicht mehr autonom, was sie sagen und wann."

Das illustriert zum Beispiel ein jüngst auf Facebook veröffentlichtes Bildchen, von dem ich erst einmal nicht für möglich hielt, daß der Vizekanzler es selbst gepostet habe, so ungeheuerlich erschien mir der ungeschminkte Angriff auf einen  Journalisten.

Ich dachte, Strache-Fans hätten das auf einer Fan-Page rausgehauen. Aber nein, es war doch Strache selbst, der sich in dieser Sache nun, so meint der betroffene Journalist, vor Gericht wird verantworten müssen.

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Quelle: Facebook, 13.2.2018

Der Vizekanzler hat das nämliche Blatt zwar im ein Wort langen Begleittext als "Satire" markiert, das Bildchen selbst trägt diese Kennzeichnung allerdings nicht, weshalb die folgenden Ausflüchte von Strache sich von genau jener weinerlichen Art zeigen, wie man sie oft erlebt, wenn Vaterländische öffentlich unter die Gürtellinie schlagen, es aber hinterher nicht gewesen sein wollen. Zitat Strache:

"Satire! Mein gestriges Facebookposting ist - und wurde - ausdrücklich als 'Satire' gekennzeichnet. Zugegeben, eine klar ersichtlich überzogene Satire! Ich habe mit Armin Wolf gesprochen und ihm gesagt, dass das Posting nicht gegen ihn persönlich gerichtet, sondern ausdrücklich als Satire-Reaktion auf die Wahlberichterstattung des ORF Tirol gedacht war. Es tut mir natürlich leid, wenn Armin Wolf dieses Posting persönlich genommen hat. Allerdings möchte ich ausdrücklich festhalten: Es war nicht personenbezogen! Es war und ist Kritik am ORF in Form von überspitzter Satire bezüglich der tendenziösen und manipulativen Berichterstattung in der jüngeren Vergangenheit!"

Diese erbärmliche Art, sich für einen verbalen Gewaltakt aus der Affäre ziehen zu wollen, statt für sein Tun einzustehen, denn was es wiegt, das hat's, wird uns in ihren Konsequenzen zeigen, welche Qualität diese Republik derzeit zuwege bringt. Eine Republik, in der Politik schon längst Anteile hat, die von einem schwer erträglichen Hooligan-Stil geprägt sind. Armin Wolf, das Ziel der Verleumdung, zu diesen Ausflüchten: "Da ich seither mehrfach gefragt wurde, ob ich bei meiner Klage bleibe. Ja, das tue ich. Erstens steht das diffamierende Fake-Plakat unverändert bei Herrn Strache online und wird von seinen Fans fleißig weiter geteilt." [Quelle]

Das wird bei Gericht interessant werden. Wir haben ein Medienrecht, wonach dieses diffamierende Bildchen ohne Angabe eines Urhebers vermutlich einige rechtliche Fragen aufwirft, denen ein Spitzenpolitiker gewachsen sein sollte. Da Facebook ein Massenmedium ist, in dem Straches Leiste öffentlich zugänglich ist, denn sonst hätte ich das Blatt ja nicht sehen können, wird wohl mindestens diese Rechtslage zur Debatte stehen. Was immer unter Rufschädigung, üble Nachrede oder ähnliche Fälle zu rechnen wäre, die der Staat sanktioniert, könnten sich alle Arten von Tätern ja rausreden, daß man mit der Wortnennung "Satire" strafbare Tatbestände in Luft aufgelöst habe.

Ich mach mir um Armin Wolf keine Sorgen, bin aber konsterniert, daß ein Vizekanzler derzeit offenbar über eine so bescheidene intellektuelle Ausstattung verfügt, sich in so eine billige Polemik zu verstricken, um damit vor Gericht zu landen. Wie ist denn jemand größeren Aufgaben gewachsen, der sich von der Regierungsbank aus das Niveau von Bassena-Gezänk leistet?

Post Scriptum:
Ich bin übrigens bezüglich der Sprachregelung Systenmmedien, bezüglich Kontext und Subtext, nicht bloß auf den Text von Klemperer angewiesen, dessen 1947er LTI als grundlegendes Standardwerk gilt. So schrieb etwa Michaela Kronenberg in ihrer Dissertation "DIE DEMAGOGISCHE KRAFT DES WORTES: IDEOLOGIEBILDUNG VON RECHTS. Eine Analyse rechtsradikaler Sprachspiele und Denkmuster in Medientexten“ (2001):

"Die Etablierung einer rechtsextremistischen Gegenkultur als Gegengewicht zu den Systemmedien (Bundesministerium des Innern, 2000, S. 79 u. 82) findet in wachsendem Ausmaß mittels der neuen Medien statt; so ist beispielsweise die Zahl der rechtsradikalen Homepages 1999 wieder massiv auf derzeit 330 vom Verfassungsschutz registrierte Seiten gestiegen."

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