8. September 2018

Ja, danke der Nachfrage! Auch mit gefällt die Annahme, daß wir mehr seien als jene, die sich der Menschenverachtung widmen und solche Attitüden vor allem via Social Media ziemlich ungehemmt ausleben. Vielleicht würde es mir ferner gefallen, das mit einem Button auszudrücken: "Wir sind mehr!", aber dann widerstrebt es mir doch, mir derlei Fähnchen anzuheften. Vielleicht ist es wirkungsvoll, vielleicht auch einfach notwendig, mit einer Beschriftung sichtbar zu werden, die besagt, man sei "für Frieden, Demokratie und Freiheit, gegen Hetze, Hass und Gewalt".

Wäre das dann eine Kurzform jener Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die in Österreich Verfassungsrang hat? Das lautet amtlich beispielsweise so: "Verfassungsbestimmung: Die Europäische Menschenrechtskonvention und das 1. Zusatzprotokoll sind gemäß BVG BGBl. Nr. 59/1964 mit Verfassungsrang ausgestattet."

Auf Facebook boomen gerade Profilbilder mit der Botschaft "Wir sind mehr!". Ich sehe mich dagegen im Lager jener, die bedauernd feststellen müssen: "Wir sind sehr wenige!" Mein Profilbild hat übrigens auch eine Markierung. Seit Jahren.

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Nein, da muß ich mir aktuell nichts neues anheften. Wir bräuchten bloß gelegentlich darüber zu reden, was das für die Praxis bedeutet, wenn jemand via Bildchen verkündet, "für Frieden, Demokratie und Freiheit, gegen Hetze, Hass und Gewalt" zu sein. Man könnte sich ebenso gut auf die Brust heften: "Ich bin für die österreichische Verfassung!"

Ein Bundesgesetztblatt vom 24. September 1958 ist dem Thema gewidmet und listet die 66 Artikel des Dokuments in drei Sprachen auf: "210. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Zusatzprotokoll." [Die Quelle als PDF.Datei] Also noch rund zwei Wochen und es wäre der 60. Jahrestag dieses Papiers zu feiern.

Übrigens! Das weiße Kreuz auf schwarzem Grund steht bei mir für "No Culture, no Future!" So der Titel einer Streitschrift, die der Kanadier Simon Brault im Jahr 2010 publiziert hat, "...an impassioned manifesto that argues for the importance of the arts in society. Besides highlighting its economic value, he explores the reasons why culture is of vital importance. Brault also preaches a culture of inclusivity: that instead of erecting barriers between high art and mainstream art, between the elite and the mainstream, we tear them down." (National Post)

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Das handelt implizit ohnehin von den genannten Themen, indem ein zeitgemäßer kulturpolitischer Diskurs zu kulturpolitischen Rahmenbedingungen beitragen sollte, durch die Hetze, Hass und Gewalt mindestens was gegenübergestellt, manchmal auch was entgegengestellt werden kann. Dieser Diskurs ist seit damals nicht wesentlich vorangekommen und die kulturpolitischen Verhältnisse in unserer Region tendieren eher zurück in das vorige Jahrhundert.

An einer Stelle im oben zitierten Bericht sagte Brault: "We need to understand that almost everybody in this world, if not everybody, is culturally engaged. Even if they don’t know it. They like some song, they like some artist, they like some picture, they like some TV program – everybody has a connection with culture. It is, most of the time, the mainstream, commercial culture, but that’s the case..." Das halte ich für einen zentralen Aspekt in den aktuellen Fragen nach adäquater Kulturpolitik.

In diesem Zusammenhang hab ich vor sieben Jahren einmal mehr thematisiert, daß Graz einen überproportional großen Anteil des steirischen Kulturbudgets behält und konsumiert, die ganze restliche Steiermark mit einem Bruchteil davon auskommen muß. Und das, wo das gesamte Ladeskulturbudget damals bloß 1,5% des steirischen Landesbudgets ausmachte; siehe hier die Notiz aus der 29. Kalenderwoche 2011!

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In einer Straße von Belfast, wo ich eine Vorstellung von Voluntary Arts bekam

Darauf müßte strategisch reagiert werden, möglichst nicht in der simplen Form: wie könnte man Graz Budget abjagen? Dazu sollte eine smartere Debatte möglich sein. Zum 2017er Kunstsymposion hab ich Braults Überlegungen erneut aufgegriffen: [link] Aber kurz zurückgeblickt:

Die Verteilung:
+) 2011: für Graz  74,4% und 25,6% für die übrige Steiermark
+) 2012: für Graz  73,45% und 26,55% für die übrige Steiermark

Ferner:
+) 2013 werden im steirischen Haushalt 1,83% von 100% des Budgets für Kultur verwendet.
+) 2014 werden im steirischen Haushalt  1,72% von 100% des Budgets für Kultur verwendet.

Als im Jahr 2014 harte Budgetkürzungen anstanden, wäre allein schon durch diese kleinen Prozentzahlen zu verdeutlichen gewesen, daß ein Reduzieren der Kulturbudgets wenig an Einsparung bringt, weil der Anteil am Gesamtbudget so gering ist, aber viel an Strukturen wegreißt; vor allem in der Provinz. Siehe: [link]

Warum ich das so ausführlich darlege? Seit rund einem Jahrzehnt ringe ich um eine konzentrierte Debatte über die kulturpolitischen Verhältnisse zwischen Zentrum und Provinz. Dabei hab ich bei der IG Kultur Steiermark schon ebenso Abfuhren erlebt wie bei mur.at und bei anderen Formationen.

So hatte ich nur mit einige Mühe im Jahr 2009 jene "Freitags-Konferenz" in Gleisdorf als offiziellen Teil der NCC09 zustandegebracht, bei der ein Input von Gabriele Gerbasits (Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich) die Sache voranbringen sollte. Ich erinnere mich an sehr konkrete Absagen zu meiner Fragestellung seitens etlicher Leute aus Graz.

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23. bis 29. November 2009

Nichts zu machen, sie erklärten das Thema als unerheblich. Der Blick auf diesen Themenstrang, mit dem ich nun wenigstens ein Jahrzehnt befaßt bin, ohne daß ich in der Region bei einer Kulturinitiative oder bei Kunst- und Kulturschaffenden irgendeine Resonanz entdecken konnte, erhielt dieser Tage einen ganz bemerkenswerten Kontrast.

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"Wir Steirer", Ausgabe 4/2018 (FPÖ)

Nun hat sich die steirische FPÖ der Sache angenommen. In der aktuellen Ausgabe von "Wir Steirer" (4/18) ist der Großteil einer Doppelseite jener kulturpolitischen Betrachtung des Themas "Zentrum/Provinz" gewidmet. Wie viel Ihr also auch sein mögt, die Ihr Euch als "Wir sind mehr!" fühlt, ich hab so das Gefühl, auf meiner Baustelle können wir bloß sagen: "Wir sind sehr wenige!"

Wir sind noch so wenige, die den Vaterländischen heute nicht mehr ratlos zuschauen, wenn die Stichworte wie Heimat & Vaterland, Volk und Volkskultur etc. beliebig befüllen, bewirtschaften und das in Wahlerfolge umsetzen, nach denen man sie auf die Inhalte dieser Begriffe nicht mehr befragen kann.

Wissens- und Kulturarbeit in der Provinz schafft uns Anlässe, über diese Begriffe und Kategorien Klarheit zu schaffen, indem wir zum Beispiel Zusammenhänge zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst untersuchen. (So etwa bei unserem Kunstsymposion.) Aber es geht auch um konsequente inhaltliche Arbeit an den Themen. (Klicken Sie die Stichworte im vorigen Absatz an!) Wir sollten in der Lage sein, fundierte Debatten zu führen, wenn Themen wie Heimat, Volk, Kultur, Identität etc. auf den Tisch kommen.

P.S.:
Und es sei noch einmal betont, wir kommen in der Problemlage und in der Debatte keinen Schritt weiter, wenn wir fragen: Wie könnte man von der Provinz aus der Stadt Graz ein Geld raureißen? Ich denke, wir brauchen eine andere Ebene, einen anderen Arbeitsansatz, um das anzugehen. Ein weiterer Verteilungs- und Verdrängungswettkampf würde nur in alte Muster zurückführen, mit denen neue Lösungen wohl kaum erreichbar wären.

-- [Kulturpolitik] --

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