24. Februar 2019

Die Kunst darf alles. Gängige Einwände mit der Berufung auf „gewisse Grenzen" sind von einer gewissen Unschärfe. Trübe Kategorien ohne Aussagekraft. So können wir derlei Angelegenheiten nicht verhandeln, denn in Fragen nach der Kunst will ich mich nicht mit persönlichen Vorlieben und Ressentiments einzelner Leute befassen, die sich ohne „gewisse Grenzen" offenbar verloren oder wenigstens gefährdet fühlen würden.

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Ich habe hier nicht behauptet, Künstlerinnen und Künstler dürften alles. Der Satz lautet: Die Kunst darf alles. Kunstschaffende werden ihre Optionen stets mit ihrer direkten Umgebung auszumachen haben. Sie werden dabei unweigerliche auf Grenzen stoßen und erst die konkrete Situation zeigt dann, ob diese Grenzen verschiebbar sind. Das ist ein anderer Aspekt des Themas.

Falls Sie nun meinen, der Unterschied sei vernachlässigbar, nicht der Rede wert, haben wir miteinander schon ausgeredet, denn für meine Arbeit sind Nuancen wichtig, zählen feine Unterschiede auf grundlegende Art. Wer darauf verzichten kann, führt ein anderes Leben als ich.

Ich versuche es noch einmal. Die Kunst darf alles. Für Künstlerinnen und Künstler kann ich das nicht geltend machen. Wozu diese Unterscheidung gut sein soll? Vielleicht befassen Sie sich bloß mit jenen Angelegenheiten, die Ihrer eigenen Verfügung unterliegen. Mich beschäftigen aber auch Vorgänge und Zusammenhänge, die ganz außerhalb meiner Zugriffsmöglichkeiten liegen.

Wird es nun etwas deutlicher? Es gibt tausend Handlungsweisen, an denen wir das Denkmögliche begrenzen müssen. Aber im Denken selbst müssen wir es nicht limitieren. Das wären nun erst jene Bereiche, die aus der Conditio humana heraus entstehen. Das Unsere. Wie vieles liegt aber außerhalb dessen und dort, so muß ich annehmen, ist letztlich die Kunst zuhause.

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Es steht Ihnen frei, alles Denkbare außerhalb Ihrer eigenen Möglichkeiten für Unfug zu halten. Da trennen sich dann eben unsere Wege. Ich hab übrigens auch ein besonderes Faible für das, was vorerst noch gar nicht gedacht werden kann. Hier wird das Ahnen zu einer radikalen Möglichkeit, ein Stück der Welt zu erkunden, das wir noch nicht kennen.

Sie werden überrascht sein, das ist keineswegs bloß die Domäne der Kunstschaffenden. Wie möchten Sie ihren Alltag regeln, während Sie auf Abstraktion und auf Annahmen verzichten? Wie soll Alltagsbewältigung gelingen, wenn Wahrnehmungserfahrungen keine weitere Rolle spielen dürfen?

Und wieso sollte ich die Lust am geistigen Abenteuer verteidigen müssen? Weil Sie Irritation als Störung empfinden? Weil Sie auf Definitionshoheit bestehen müssen und daher lieber abwerten, was den Rahmen Ihrer Vorstellungen sprengt? Da werden wir uns nicht einigen können.

Es wäre elegant, wenn Sie mir etwas Ermutigung dafür bieten wollten, daß ich mich auf Terrains begebe, die Sie ohnehin nicht sehen möchten. Mir das ausreden zu wollen, ist müßig. Mir das schlechtzureden, ist unanständig. Falls wir nun ausgeredet haben, wünsche ich für alle Fälle ein langes Leben.

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