9. Oktober 2019

Kohle und Stahl. In meinen Kindertagen waren diese Motive immer irgendwie präsent. Durchschimmernd. Die Kroatin Julka, eine meiner Großmütter, eine warmherzige, kettenrauchende Frau, die ihre Leben im weststeirischen Bergbau-Ort Köflach beendete, war auf ihrem letzten Weg von einer Knappenkapelle begleitet worden. Männer in imponierenden Trachten. Markante Kopfbedeckungen. Die glänzenden Messingknöpfe im Kontrast zum schwarzen Tuch.

Damals wußte ich noch nichts vom Leben der Bergleute. Julka hat nie von ihren schwersten Stunden erzählt, auch nicht davon, wie sie aus der Untersteiermark in dieses Bergbaugebiet gekommen war. Es gab bloß ein Raunen in der Familie, da ihr Mann Karl, mein Großvater, nach Kriegsende von Partisanen verschleppt und totgeschlagen worden sei.

Damals wußte ich noch nichts davon, wie die Nazi ab 1941 auf dem Balkan gewütet hatten, kroatische Ustaschen als ihre Dienstboten, und was da sonst noch so einander in die Quere kam. Kohle und Stahl. Einige Jahre davor, als unsere Leute 1914 gegen Serbien loszogen, wurden sie zu den ersten Aggressoren in einer Eskalation, die sich zum Großen Krieg auswuchs.

Damals hatten selbst kriegserprobte Kommandeure keine Ahnung, welchen Schrecken ein umfassend mechanisierter Krieg über alle Beteiligten bringt. Das geschah unter der kalten Sonne der Habsburger. Folgt man den Kommentaren relevanter Autoren jener Tage, erscheint Kaiser Franz Joseph als eine entsetzliche Fehlbesetzung in Europas Politik, vollkommen unfähig zu regieren.

Das hatte sich schon im 19. Jahrhundert gezeigt, als der Monarch außerstande schien, hochgehende Konflikte zwischen seinen Völkern zu regeln, von denen etliche unfaßbar banal waren; wie etwa die dreiste Weigerung eines deutschsprachigen Teils der Verwaltung, in Böhmen und Mähren innerhalb von vier Jahren eine zweisprachige Amtsführung zu ermöglichen, also Deutsch und Tschechisch zu beherrschen.

Das ging mir alles so durch den Kopf, als ich auf der Bahnstrecke nach Judenburg darüber gestaunt habe, daß man kein Klackern mehr hört, wo früher die unzähligen Räder der Waggons über die Dehnungsfugen der Schienen rollten.

Ich war auf dem Weg in das dortige Puchmuseum. Die "Lange Nacht der Museen" stand an, Judenburgs Marketing-Boss Heinz Mitteregger hatte mich eingeladen, einen Vortrag zur Kulturgeschichte des Steyr-Puch Haflinger zu halten und mein Buch vorzustellen.

Kohle und Stahl. Die Hauptmedien der ersten und zweiten industriellen Revolution. Wer das 20. Jahrhundert begreifen möchte, kann über diese Kräftespiele nicht hinwegsehen. Dadurch sollten uns die aktuellen Umbrüche verständlich werden. Das alles hat auch seine Entsprechungen in privaten Familiengeschichten, bildet sich in persönlichen Angelegenheiten ab…

-- [Die Judenburg-Session] --

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