27. November 2019

die kraft der poesie

ich hab schon als kind gedichte gechrieben und flehe zu meinem schicksal, daß davon nirgends mehr etwas aufzufinden ist. die älteste literatur-eposide, an die ich mich erinnere, handelt von einem wettstreit mit dem späteren gitarristen peter ratzenbeck. wir schrieben balladen um die wette. (ein sängergstreit am münzgrabengürtel.) dabei dürfte ich zwölf, dreizehn jahre alt gewesen sein.

von da an wurde ich mutmaßlich radikalisiert und ging härter richting pop-kultur. das hatte seinen ersten höhepunkt in der berufsschule. dazu war ich drei mal zwei monate auf ein gastspiel im oststeirischen hartberg; die ersten beiden jahre im internat, wo man mich danach nicht mehr aufgenommen hat.

diese erfahrung teilte ich mit zwei berufskollegen, dem vickerl müller (†) und dem jürgen perl, was uns bewegte, im dritten berufsschuljahr gemeinsam in einer preiswerten pension des ortes einzuchecken.

im zweiten jahr waren also konfiktlagen zwischen uns und dem personal des internates zunehmend hochgegangen. man muß der internats-leiterin namens graf, von uns „die gräfin“ genannt, zugute halten, daß wir – jeder für sich – starke tendenzen zur provokation hatten, allerdings im dreier-gespann definitiv und ausdauernd der hausordnung spotteten.

der punkt, an dem ich gefeuert wurde, erscheint banal, bezog seine schubkraft aus dem umstand, daß ich plötzlich die kraft der poesie begriff. die gräfin und ihr stab hatten es längst aufgegeben, mit uns zu debattieren, denn wir sahen diskurs als sportliche herausforderung, welcher ein großteil unserer überschießenden kräfte gewidmet wurde. zeit für einen ebenenwechsel!

ich hatte mir aus einer werkstatt eine der alten arbeitsjacken aus robustem, grauem stoff besorgt, jene art, die blauzeug genannt wird. weiße und mattschwarze farbe war zuhause vorrätig. mit einem breiten borstenpinsel malte ich mir in großen weißen lettern eine nummer und die worte „san quentin prison“ auf den rücken, schattierte diese zeichen schwarz. (korrekt hätte es „san quentin state prison“ heißen müssen.)

das war mein aufzug bei etlichen schulpausen, in denen hunderte teenies im hof flanierten. ich fürht die jacke kommentarlos aus. der effekt übertraf all meine erwartungen. die polemische, aber augenzwinkernd vorgebrachte unterstellung, dies sei ein knast, wurde bestens verstanden brachte die gräfin und ihr personal so energisch gegen mich auf, daß mein abgang unvermeidbar wurde.

da hab ich kapiert, was poesie ist, was kontext ist, was subtext bedeutet.

[Eine Facebook-Notiz]

[kalender] [reset]