4. März 2020

Fürs Protokoll: Ich bekomme derzeit Bilder auf den Tisch, die machen deutlich: Hier ist vor Griechenland eine Brutalisierung von Europas Vollzugsorganen in Gang.

Dazu kommen Berichte, daß etwa Milizen ohne Uniformen auf Lastwagen ohne Nummerntafeln gegen anlandende Flüchtlinge vorgehen, während zugleich reguläre bewaffnete Kräfte gegen die Flüchtenden im Einsatz sind und auch schon Schußwaffengebrauch dokumentiert wurde. Zwischendurch Kleinkinder unter Tränengas-Attacken und ähnliche Vorkommnisse.

Wir erlauben derzeit eine drastische Relativierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. (Immerhin eine Deklaration, die bei uns Verfassungsrang hat.)

Ich nehme das möglichst unaufgeregt zur Kenntnis, weil mich als wesentliche Frage beschäftigt, wo und womit ich angesichts solcher Entwicklungen handlungsfähig sein kann. Seine Empörung zu äußern, via Social Media zu fluchen, Memes zu posten, diverse Artikel zur Sache zu verlinken, all das halte ich noch nicht für relevantes Handeln. Das sehe ich als erste Entlastungsstrategie, um sich Luft zu machen und vielleicht das Herz etwas zu erleichtern. Aber dann?

Ich hab hier in den letzten Tagen schon mehrfach angesprochen, daß mir in meiner Umgebung das geistige Klima nicht mehr zusagt. Wissenserwerb, konsequentes Denken, Beiträge zu kritischen Diskursen sind derzeit keine geschätzten Optionen.

Das können Sie allein dadurch überprüfen, daß sie an einem bestimmten Standort das Kulturprogramm durchsehen und sich fragen, was denn zwischen einzelnen Veranstaltungen debattiert wird, an Themen vorkommt; vor allem aber: wo das geschieht.

Für Gleisdorf läßt sich sagen, daß sich über Jahre nun ein völlig weichgespültes Programm etablieren ließ, das eine Höhe der Zeit simuliert. Kunst- und Kulturschaffende der Region haben eher nichts zu sagen, außer: kann ich austellen/auftreten? Gibts ein Geld?

Was nun das Elend der neuen Flüchtlinge angeht, die Bedrohungen, denen sie nicht nur an Herkunftsorten, sondern nun auch an Zielorten ausgesetzt sind, habe ich individuell keine direkt wirksame Handlungsmöglichkeit.

Aber ich kann persönliche Entscheidungen treffen, auf welche Teilbereiche ich mich konzentrieren möchte, um zum Großen und zum Ganzen möglichst etwas Wirksames beizutragen.

Wissenserwerb, brauchbarer Befund, Entscheidung für ein Teilthema, Handlungsplan, handeln. Das ist mir jederzeit möglich, daran kann mich niemand hindern.

Das kann ich nach eigener Facon mit meinem Alltagsleben in Einklang bringen, so daß ich in meinem Kräftehaushalt für ein Fließgleichgewicht sorge, was wichtig ist, um längerfristig handlungsfähig zu bleiben.

Ich kenne den Einwand, daß so ein Weg Zeit braucht, wo doch jetzt sofort gehandelt werden müßte. Welche Sofortmaßnahme mit Aussicht auf Wirkung wäre mir möglich, um die Situation in Griechenland sofort zu entschärfen?

Dazu fällt mir gerade nichts Praktikables ein. Also bleibe ich auf den oben skizzierten Modus konzentriert: Wissenserwerb, brauchbarer Befund, Entscheidung für ein Teilthema, Handlungsplan, handeln. Das ist mir jederzeit möglich…

Wenn das in meinem Bezirk zehntausend Menschen tun würden, hätte sich der Lauf der Dinge schon um ein Stück verschoben. Erinnert sich noch jemand an die sogenannten „Spontisprüche“ aus dem vorigen Jahrhundert? Einer davon lautete: „Grabe wo du stehst!“ (Sagt mir sehr zu.) Das war übrigens vom Titel eines Buches des Schweden Sven Lindqvist hergeleitet: „Gräv där du står“.

Darüber hinaus häng ich besonders an einem Zitat, das ich den Unterhaltungsromanen von John Crichton verdanke und das mir für Teile unseres politischen Personals passend erscheint: "Lösen Sie nicht die Schuldfrage, lösen Sie das Problem!"

Einige Fakten, konkrete Zahlen in der Notiz:
"Handlungsfähig bleiben"

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