26. April 2020

Ist unsere Redefreiheit in Gefahr? Müssen wir Zensur befürchten? Was für ein Mumpitz! Ein Blöken der Schafe zum Schweigen der Lämmer. Dieses Raunen, man wäre bedrängt und bedrückt, wo man seine Meinung äußern wolle, ist die aktualisierte Pose jener, die ihre Meinungsäußerung aufbrezeln möchten, um Quote zu machen. Alarmismus. Gewicht durch Schauer.

Diese dumme Attitüde nimmt in meinem nahen Umfeld merklich zu. Ich bekomme warmes Wasser zum Kauf angeboten. Da wird zum Beispiel plötzlich betont: „Alle Meinungen müssen gehört werden in einer Demokratie. Das bedeutet nämlich Demokratie…“

Ja, danke! Und der Papst ist katholisch. Das Wasser ist naß. Bei schönem Wetter ist der Himmel blau. Die Meinungsfreiheit ist längst erkämpft worden. Nun müßte man sich noch eine Meinung erarbeiten, damit man etwas zum Freilassen hat. Wer oder was sollte mich in meiner Meinungsfreiheit bedrohen? Wer oder was schmälert unsere Meinungsvielfalt?

Den rhetorischen Kniff kennen wir aus rechtsradikalen Kreisen. Man redet die Demokratie schlecht, malt einen schattenhaften Feind an die Wand, bietet sich selbst als Heilsbringer an. So machten es schon Goebbels und Hitler, so werden andere Zwerge nicht müde, sich eine größere Silhouette zu basteln.

Das Bemerkenswerte an den Sibyllen, den Hobby-Unglückskündern, den Raunenden und Dräuenden, ist der Umstand, daß sie nach einschlägigen Ansagen via Social Media überwiegend gar keine eigene (bedrohte?) Meinung anbieten, sondern Links auf Videos und Artikel anderer Leute.

Das heißt, sie üben ihre Meinungsfreiheit aus, indem sie Propaganda praktizieren, die Meinungen anderer promoten. Auch gut! Kann man machen. Um was? Um sich selbst aufzuwerten, hervorzutun? (Das ist in einer Demokratie ja nicht strafbar, bloß peinlich.)

Man macht sich dienstbar, übt sich als Wasserträger jener, die sich um ein Publikum bemühen, indem sie betonen, wie sehr ihre Meinung unter Zensur-Androhung stehe, weil sie von irgendeinem phantasierten Mainstream abweiche. Welche Zensur? Wo? Durch wen?

Kleiner Einschub: wer Mitteilungen unserer Regierung für einen Mainstream hält, sollte seine Medienkompetenzen aufpolieren. Das ist auch bloß eine Stimme in einem vielstimmigen Chor.

Ich brauche diese Kolleginnen und Kollegen keineswegs, um im Web relevante Texte zu finden, anregende Diskussionen zu entdecken. Das schaffe ich ganz gut allein. Aber statt die Ohren mit den Ansichten anderer vollgesäuselt zu bekommen, gefiele mir eine direkte Auseinandersetzung zu anstehenden Fragen. Da ist ja genug an klärungsbedürftigen Umständen um uns.

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