14. Juni 2020 II

Und was soll ich tun?
Mir einen mächt’gen Schutzherrn, einen Gönner finden,
Wie Efeu mich an einem Stamm nach oben winden,
Und ihm die Rinde lecken, wenn es vorteilhaft?
Durch List nach oben kommen statt durch eig’ne Kraft?
Nein, danke!

Jeden Vers, wie üblich bei so Vielen,
Mäzenen widmen? Stets den dummen August spielen,
Damit ich mir dadurch auf eines Höflings Miene
Ein Lächeln, das einmal nicht grimmig ist, verdiene?
Nein, danke!

Jeden Tag geduldig Kröten schlucken,
Den Rücken biegsam halten durch konstantes Ducken?
Den Hosenstoff vor allem an den Knien beschmutzen
Und stets zur Fortbewegung meinen Bauch benutzen?
Nein, danke. Mit der einen Hand Honig um Mäuler schmieren,
Und mit der andern Heil’genscheine aufpolieren?
Beim Säen an nichts and’res als die Ernte denken,
Und wo ich geh’ und stehe, Weihrauchfässer schwenken?
Nein, danke!

Mich von Schoß zu Schoß nach vorne drängen,
Mich in die Mitte alles Mittelprächt’gen zwängen,
Mich an der Seichtheit freun, in die mein Schiff gerät,
Die Segel von Altweiberseufzern nur gebläht?
Nein, danke! Mit Verlegern ständiges Gezanke,
Wie meine Verse zu vergüten sind?
Nein, danke!

Zu allem Ja und Amen sagen, um auf Erden
Geistiges Oberhaupt der Dummschwätzer zu werden?
Nein, danke! Schuften, bloß um anerkannt zu sein
Für ein Sonett, statt weitere zu schreiben?
Nein, danke!

Drittklassige Talente um mich sehn,
Unter der Fuchtel herrischer Gazetten stehn,
Und ständig nur das jämmerliche Ziel im Sinn:
“Hauptsache ist, ich stehe auch irgendwo drin!”
Nein, danke!

Kalkulieren, bangen um die Früchte,
Und öfter Aufwartungen machen als Gedichte,
Abschriften redigier’n, Bittschriften überbringen?
Nein, danke! Nein, danke! Nein, danke!

Aber... singen,
Und träumen, lachen, wandern, ganz allein und frei,
Das Schöne sehn ohne ein Schuldgefühl dabei.
Den Hut, wenn man es will, schief auf dem Kopfe tragen,
Und je nach Laune Verse machen und sich schlagen.
Sorgfältig feilen an der Reise nach dem Mond,
Frei von der bangen Frage, ob es sich auch lohnt.
Nichts schreiben, was nicht aus dem eig'nen Herzen rührt,...

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