25. Oktober 2020

Was ein Beruf ist

Der Lockdown begann im März 2020, Mitte Mai hat er geendet. Wir wußten allerdings schon davor, daß Kunstschaffende in Österreich mehrheitlich in schwierigen sozialen Lagen existieren. Es gab allein während der letzten zehn Jahre genug an Befragungen und Studien, um das mit Fakten zu belegen. Ich neige zur Ansicht: so ist der Beruf.

Ich sehe mein Leben in der Kunst als eine Profession. Romantische Konzepte wie „Berufung“ überlasse ich dem Klerus oder anderen Metiers, die zur Transzendenz ein kurioses Verhältnis haben und das den Menschen mit einer so trüben Kategorie verkaufen möchten.

Beruf heißt, Professionalität kommt sehr wesentlich durch Arbeitszeit, Kompetenz und Folgerichtigkeit. Konsequenzen! Der Broterwerb ist übrigens keine Kategorie der Kunst, sondern eine soziale Kategorie.

Ich halte es mit Lüpertz. In der Kunst geht es um Qualität und um Vollendung. Wie man das mit den Fragen des Marktes vereint, ist ein anderes Thema. Ich bleibe vorerst bei der bewährten Auffassung, daß die Kunst nur sich selbst verpflichtet sei. Stichwort: Autonomie der Kunst.

Ich habe gestern notiert, für eine nächste Kulturpolitik scheine es mir unverzichtbar, das Metier klarer zu zeichnen. Also runter mit romantischen Verbringungen und zur Hölle mit den Einladungen, sich einem soziokulturellen Kameradschaftsbund anzuschließen.

Ich hab betont, ein Leben in der Kunst handelt von einem kontrastreichen Fächer ganz unterschiedlicher Lebenskonzepte, was sich in sehr verschiedenen ökonomischen und sozialen Konzepten darstelle. Drei Beispiele, um konkreter zu werden.

+) Ich bin ein Autor von Mitte 60, zwei Kindern herzlich zugetan, die aber längst Erwachsene sind und ihr eigenes Leben führen. Ich bin seit Jahrzenten Freelancer, muß einige finanzielle Verpflichtungen bedienen, hab aber ansonsten heute völlige Freiheit, wofür ich meine Kräfte einsetzen mag.

+) Ich kenne einen Musiker, Mitte 50, keine Kinder, als Lehrer mit reduzierter Lehrverpflichtung existentiell in einem Mindestmaß abgesichert, das Haus längst abbezahlt, mit einer aktiven Lehrerin verheiratet. Stabile Verhältnisse, um in frei disponierbarer Zeit künstlerischen Optionen nachzugehen.

+) Ich kenne eine Malerin, um die 50, zwei schulpflichtige Kinder, mit Broterwerb und der familiären Versorgungsleistung in einem wesentlichen Teil ihrer verfügbaren Zeit sehr ausgelastet. Da bleibt wenig Spielraum für Optionen der Kunst und es ist ein fragiles Kräftespiel an etlichen Grenzen.


Das sind nur drei von mehreren darstellbaren Lebenssituationen, die der Kunst gewidmet werden. Also wäre das Berufsbild Künstlerin/Künstler zu aktualisieren und von plüschigem Dekor zu befreien; auch von dem des „Rebellischen“, denn das ist romantisch, aber nicht konstituierend. Wer es sich leisten kann, wer ökonomisch völlig freigestellt ist, um sich Aufgaben der Kunst zu suchen, existiert und arbeitet in einem ganz anderen Kontext als ich.

Wer in der Kunst leben und ökonomisch überleben will, wird unter der Vielfalt von Praxismodellen hoffentlich ein passendes finden. Ich möchte daher Metier und Kulturpolitik heute differenzierter betrachtet finden. Mir herrscht da vorerst einfach zu viel Beliebigkeit.

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