24. November 2020

Wider die Agonie

Wir sind mit dem 20. Jahrhundert noch längst nicht fertig. Ich hab übrigens mit etlichen Menschen zu tun, die denken auffallend in Kategorien des 19. Jahrhunderts. Wie kommen wir nun zu stichhaltigen Befunden, was den aktuellen Zustand der Welt angeht? Konsequent betriebene Wissens- und Kulturarbeit ist ein Beitrag dazu.

Manchmal gibt es für mich kurz eine Art des Erschreckens, wenn sich Bemühungen einlösen. Ich bin oft in eine meiner Aufgabenstellungen so vertieft, daß mir nicht einfällt, die Arbeit könnte nach außen Wirkung entfalten. Wie irritierend, wenn es dann geschieht!

Seit Jahrzehnten zeigt sich: ich bin jedesmal überrascht, wenn ich erlebe, daß sich auch andere Menschen darauf einlassen. Dazu kommt derzeit diese zweite Lockdown-Erfahrung. (Naja, Lockdown. Eine Situation der Ausgangsbeschränkungen, keine Ausgangssperre.)

Diese Pandemie, die getrennten Lager mit starken Tendenzen zum Streit miteinander, auch zur wechselseitigen Abwertung, die wirtschaftlichen Schäden, wie sie gesellschaftlich und individuell erfahrbar sind… All das führt zu einer merkwürdigen Klarheit in der Wissens- und Kulturarbeit.

Großspurige Gesten, Maulheldentum, Getue, Menschen in derlei Posen ist weitgehend der Stoff ausgegangen. Wer jetzt inhaltlich schwächelt, wer thematisch auf dünnem Eis steht, hat inzwischen eher nichts mehr, um sich hervorzutun, um Defizite zu kostümieren.

Themen! Facebook hat einen Algorithmus zu dem eine „Erinnerungsmaschine“ gehört. Die warf mir gestern eine Notiz vom 23.11.2015 auf den Tisch, in der ich Malewitsch zitiert hab: „Der Raum ist ein Behälter ohne Maß, in ihm schafft der Geist sein Werk.“ Weshalb solche Sätze und weshalb Malewitsch?

Ich hab 2015 als ein markantes Krisenjahr in Erinnerung, das ab dem März sehr anstrengend wurde. Da fand unsere 2015er Synergie-Konferenz statt. Damals hatten sich die Verhältnisse schon zu verschieben begonnen, ohne daß ich es bemerkt hätte. (Einer meiner Themenschwerpunkte jener Tage: Die Ehre des Handwerks, das Gewicht der Kunst, der Geist in der Maschine.) Es etablierte sich ein Prozeß, in dem steirische Kulturbudgets zunehmend für PR-Arbeit gekapert wurden.

Auf solche Erlebnisse kann man mit Larmoyanz, Agonie oder Neuorientierung reagieren. Mir fiel erst im Rückblick der Raster auf, den ich mittendrin nicht sehen konnte: 2010 – 2015 – 2020. Konkreter: „Das hat mit der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 (Lehman Brothers & Co.) begonnen, wurde etwa 2010 bei uns manifest und hat sich 2015 zu einer radikalen Faktenlage verdichtet.“ (Quelle: „Mein Kontinent“)

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Das Malewitsch-Zitat stammt aus: „Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung“. Ein Text von 1915, dem Jahr, als er in der Ausstellung „0.10“ seine Komposition „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ zeigte. Ein Wendepunkt!

Das Bild „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ ist eines der vier visuellen Motive, die ich schon eine Weile mit mir führe, um den Themenbogen „Volkskultur, Popkultur, Gegenwartskunst“ aktuell zu erkunden: Malewitsch, Jaray, Buckminster Fuller und Warhol. Nun sind wir, mit solchen Werken im Rücken, in der nächsten fundamentalen Modernisierungskrise angelangt.

Next Concept Vertigo: was nun läuft
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