8. Jänner 2021

Teilhabe an der Macht II

Ich denke nicht, daß Macht etwas sehr Abstraktes ist. Ich halte Macht für das Ergebnis von Übereinkünften zwischen Menschen. Macht ist ein Beziehungsphänomen. Wenn jemand über das Verhalten von Menschen und über Ressourcen verfügen kann, also Macht ausübt, muß es dafür Rückhalt geben.

Wo das mit purer Gewalt realisiert wird, müssen andere Menschen so ein Arrangement billigen. Wo das raffinierter umgesetzt wird, ebenso. Wer Macht ausübt, ohne daß ihm jemand in den Arm fällt, hat es verstanden, Nutznießer und Trittbrettfahrer an sich zu binden, Profiteure der Erniedrigung wessen auch immer.

Ich denke, solche Arrangements sind schon unter bloß zwei Menschen möglich, ebenso in einer kleinen Familie. Auch in einer Firma, einem Häuserblock, einem Dorf, bis hin zum Staat oder zu einer Staatengemeinschaft. Wir kennen allerhand Varianten.

Niemand kann ein Weile Macht ausüben, ohne daß andere zustimmen. Ich betone das so sehr, weil ich es als einen Hinweis auf das Gewicht von Eigenverantwortung verstehe. Mir mißfällt in dieser Sache jegliche Prüderie. Wir sind selbst alle Akteurinnen und Akteure in solchen Kräftespielen.

Auch ich möchte über Ressourcen verfügen können, über Dinge, die mein Leben angenehm machen. Auch ich kenne und erlebe Situationen, wo ich auf das Verhalten von Menschen einwirke und es nicht bloß ihnen überlasse, wie sie solche Momente gestalten.

Das bedeutet, ich will Teilhabe an Macht. Im meinem Fall hat dieser Anspruch Regeln und Grenzen. Die sind leicht faßbar, da ich als Einpersonenunternehmen in der Welt stehe und nur wenige familiäre Bindungen habe, während meine Freundschaften jeder beteiligten Person völlig offen lassen, sich abzuwenden, falls ihnen mein Verhalten einmal mißfallen sollte.

Als Boss eines Betriebes mit fünf bis 50 Angestellten wäre die Situation völlig anders geordnet. Das trifft aber auf mich nicht zu. Also bleibe ich bei dem, womit ich mich gut auskenne. Ich sorge in Freundschaften für keinerlei Abhängigkeit. Da sollte es mir leicht fallen, Verfehlungen zu vermeiden.


Dann wären da noch zwei vormalige Kinder, heute Erwachsene, die ihre eigenen Leben führen. Sie haben die Freundlichkeit, mir als Vaterfigur einen vorzüglichen Befund auszustellen und mich darüber hinaus für einen liebenswerten Menschen zu halten. Kein Rahmen für Machtmißbrauch.

Ich arbeite für mich. Niemand sonst arbeitet für mich. Das Geld, das ich erwirtschafte, reicht gerade so, um meine alltägliche Situation zu regeln. Es gibt darüber hinaus kein Geld, das für mich arbeiten würde um mich reicher zu machen.

Also bin ich in Fragen der Macht ein Unschuldslamm? Nein, dafür wurde mir kein Zertifikat ausgestellt, denn ich bin ein erfahrener Autor, der seine Medienzugänge pflegt. Medienzugänge, die nicht von Türhütern besetzt sind, von denen mich also niemand abhalten kann.

Daher beanspruche ich Definitionsmacht, kann sagen, wie die Dinge seien, kann das publizieren, kann an öffentlichen Debatten teilnehmen. Ich kann die Definitionshoheit andrer aktiv anfechten. Das ist eine sehr konkrete Teilhabe an Macht. Solange ich geltende Regeln nicht verletzte, zum Beispiel das Medienrecht, und nach aktuellen journalistischen Grundsätzen vorgehe, bin ich nicht aufzuhalten.

Ich lebe in einem Land, wo mir niemand nachts ein Rollkommando schicken wird, das mich verschwinden läßt, falls meine veröffentlichte Meinung jemandem mißfällt. Viele lassen unbeachtet, was für eine bedeutende Teilhabe an Macht das ist, wenn jemand meiner Herkunft und mit meinem Status so handeln kann.

Darin bündelt sich eine Reihe von Menschen- und Bürgerrechten, die mir eine Demokratie versprochen hat. Aber wie die USA zeigen, oder Italien, oder Ungarn, diese Rechte sind nirgends ein Stein gehauen. Sie verlangen Engagement. [Vorlauf] [Fortsetzung]


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