24. Juli 2021

Geschirrtücher und der Segen von Dissens

Was zu den unerklärlichen Details meines Wesens gehört: ich habe ein besonderes Faible für Geschirrtücher. Ich mag diese unerbittliche Zweckgebundenheit. Ich würde mir keine Geschirrtücher kaufen, deren Design von den dominanten Mustern abweicht. Irgendwas Blumiges oder so. Geht gar nicht!


Zuhause fühle ich mich recht wohl damit, ein Geschirrtuch über der Schulter zu haben. Das kommt sogar im Büro vor, welches ein Stockwerk über der Küche liegt. Vor fast dreißig Jahren gab es dazu ein nettes Äquivalent. Die Stoffwindel über der Schulter. (Wer sich je um einen Säugling gekümmert hat, kennt den Wert dieses Details. Vor allem, nachdem das Baby eine Mahlzeit hatte.)

Kürzlich hab ich wieder einen Packen Geschirrtücher gekauft, die zu einem runden Bündel geschnürt waren. Beim Öffnen des Bündels dachte ich: Mist! Ich hab Küchenhandtücher erwischt. Aber beim Auseinanderfieseln der Textilien zeigte sich: alles gut!

Es ist übrigens nicht so, daß ich der Hausarbeit besonders anhängen würde. Dank Facebook darf ich bestaunen, welch hohes Level an Aufgeräumtheit in vielen Haushalten herrscht, auch in jenen von alleinstehenden Männern. Ich bestaune überdies den makellosen Zustand der Böden. Ich finde in mir keinen ausreichenden Antrieb, solche Akkuratesse auf meine Wohnung anzuwenden.


Es wird gerne behauptet, da bestünde ein Zusammenhang zwischen innerer Befindlichkeit und äußeren Zuständen. Das mag ja sein. Unser aller Tage haben 24 Stunden, auch wenn Kräftehaushalte individuell variieren. Innerhalb dieses Zeitrahmens könnte ich meine Agenda anders ordnen. Doch meine Prioritäten sind anders sortiert. Ich bin verrückt nach immateriellen Dingen.

In einer etwas zickigen Pose müßte ich behaupten: die Wißbegierigen als Paria unserer Zeit. Ich sehe selbst in meinem nächsten Umfeld Menschen, die genau das – Wißbegier – simulieren. Sie scheint demnach in meinem Milieu als Distinktionsmerkmal zu rangieren. Und dann fährt uns eine Seuche um die Ohren. Lockdowns, allerhand Restriktionen, Geschäftseinbrüche, wobei sich nun zeigen sollte, was wir drauf haben. Uuups!

Naja, ich muß erneut überprüfen, woran sich in mir vorhandene Sturheit festgemacht hat. Mir fehlt die Streitlust aus jungen Jahren, aber ich fürchte, das liegt am Mangel schlagkräftiger Gegenüber. Gezänk und Ömpörung sind ja todlangweilig. Eine schöne Kontroverse braucht Fundamente und Argumente. Eine schöne Kontroverse würdigt den Dissens.


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